Im Buch „3 Jahre Corona Schlagzeilen“ (Oliver Lerch) kommen verschiedene Stimmen zu Wort, die ihre Sichtweise auf die Jahre der Pandemie darlegen.
Darunter Eric Gujer, Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Hier ein Auszug:
„Die größten Verlierer der Pandemie aber sind die deutschen Medien. Im Vergleich zu ihnen war Lauterbach ein zurückhaltender Mahner. So behauptete der „Spiegel“, dass „nachweislich viele Tote auf Kosten von Pflegekräften gehen, die sich aus Bockigkeit nicht impfen lassen.“ Für die steile These gab es nie den Hauch eines Belegs, aber Hauptsache, man hatte Ungeimpfte als Corona-Totschläger denunziert. Wer nicht auf der Linie des Magazins lag, wurde unbarmherzig niedergemacht..
Ausgerechnet der „Spiegel“, die laute Tröte einer repressiven Seuchenpolitik, schlägt inzwischen andere Töne an. Unter dem Titel „Wir Coronaversager“ rechnet Alexander Neubacher mit dem Überbietungswettbewerb in der Pandemie ab, immer strengere Maßnahmen zu fordern. Er kritisiert sogar Drosten, den der „Spiegel“ wie einen Heiligen verehrte. Neubachers Fazit: „Und wir Medien, auch wir beim Spiegel, die wir uns gern als vierte Gewalt betrachten? Ich fürchte, der Diktator in uns war ziemlich stark.“
Man muss dem „Spiegel“ hoch anrechnen, dass er den Mut zur Selbstkritik fand. Damit unterscheidet er sich wohltuend von den meisten Medien, die den Pandemie-Diktator in sich nie exorziert haben… Abweichende Medien hatten während der Pandemie in den Medien Seltenheitswert. Die Einheitsfront reichte von den öffentlich-rechtlichen Sendern bis zu den privaten Verlagshäusern…
Nichts nagt an der Glaubwürdigkeit der Medien mehr als solcher Einheitsbrei. Das Leben ist kompliziert. Wenn die Bürger die Komplexität nicht abgebildet sehen, fühlen sie sich belogen – auch wenn sie nicht „Lügenpresse“ skandieren. Eine Branche, die den Eindruck erweckt, sie sei im Besitz der Wahrheit, zerstört das Vertrauen, auf das sie angewiesen ist…
In den fünfziger bis neunziger Jahren verstanden Journalisten sich als Opposition und Kontrollinstanz gegenüber einem konservativen Establishment. Eine Mehrheit der Journalisten war schon damals links, doch gab es genug liberale und konservative Stimmen, selbst in den staatlich alimentierten Sendeanstalten.
Heute haben abweichende Positionen Seltenheitswert. Zugleich verstehen sich gerade jüngere Journalisten nicht als Kontrollinstanz, sondern als Betriebskampfgruppe für eine bessere Welt, bevorzugt rund um die Themen Identitätspolitik und Klima…
Auf die Idee, dass man eine andere Meinung haben kann und trotzdem kein Populist ist, kommen die Wächter der manchmal ziemlich illiberalen liberalen Demokratie nicht. Das verengt den Raum für Diskurs bis heute.“
Eric Gujer, Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ)
Über das Buch:
„In drei Jahren Zahlenaufbereitung auf www.zahlenfreak.at wurde ich, Oliver Lerch, immer wieder gefragt, ob ich nicht ein Buch machen will. Aus einer Rückschau auf 1.161 Schlagzeilen von ebenso vielen Tagen aus 120 verschiedenen Medien zehn verschiedener Nationen wurde viel mehr.
Fast 40 Texte wurden von 25 verschiedenen Gastautoren verfasst und bieten eine andere Sichtweise. Neben Literarischem von Jan David Zimmermann finden sich auch Beiträge von sechs verschiedenen Ärztinnen und
Medizinern: Martin Sprenger, Katrin Skala, Stefano Longato, Cornelia Lechner-Tschanett, Sharon Tagwerker und Christine Valentiny geben zum Teil auch sehr persönliche Einblicke in ihre Erfahrungen der vergangenen drei Jahre.
Manuel Schabus und Sabine Felgitsch bringen Expertise aus psychologischer Sicht ein, Journalist Andreas Wetz hat sich kritisch mit der Rolle der Medien auseinandergesetzt. Die Schauspielerin Eva Herzig und die Filmemacherin Patricia Marchart zeigen auf, was bei ihnen als Kulturschaffende passiert ist. Andreas Sutterlüty berichtet über seine Beweggründe, als Schulleiter Vorarlberg zu verlassen und in der Schweiz zu unterrichten. Corinna Alge hat Menschen zu ihren Erfahrungen befragt.
Unternehmer Christian Beer, Coach Stephan Hofinger, Managementcoach Konrad Breit bringen weitere Sichtweisen ins Spiel, wie auch Pharmazeutin Karin Hofinger oder der Pädagoge Gerald Ehegartner. Grafikerin und Gestalterin des Buches war Anna Delia D'Errico, auch sie hat Beiträge verfasst.
Daneben gibt es noch weitere Autorinnen und Autoren, die es wegen ihrer offenen Worte durch ein Pseudonym vor beruflichen und privaten Nachteilen zu schützen gilt. Dass auch dies in den letzten Jahren bei anderen Personen leider durchaus vorkam, dokumentieren manche Schlagzeilen im Buch.
Durch diese Gastautoren kommen andere Sichtweisen, Perspektiven, Stilelemente und auch eine neue Art der Expertise ins Spiel. Wir alle hoffen, mit dem Buch einen Beitrag zur kritischen Aufarbeitung der Pandemie liefern zu können.“