Im Wahljahr 2024 heften sich zahlreiche Parteien die Erhaltung der Demokratie und den „Kampf gegen Rechts“ auf ihre Fahnen.
Das ist insofern fragwürdig, als in den vergangenen Jahren, insbesondere während der Corona-Pandemie, der Begriff „rechts“ oder gar „rechtsextrem“ inflationär verwendet wurde. Er wurde all jenen verpasst, die es wagten, gegen die vorherrschende Meinung zu widersprechen. Menschen, die sich für mehr Menschlichkeit bei den Maßnahmen einsetzten, die für ihre Grundrechte auf die Straße gingen – sie alle waren plötzlich „rechts“. Und dieser Trend setzt sich bei aktuellen Themen fort. Es scheint einfacher zu sein, einen Sündenbock zur Hand zu haben als nach den wahren Ursachen zu forschen.
Einen politischen Begriff derart unreflektiert einzusetzen, macht es jedoch schwierig, tatsächlich Rechtsextreme, und damit die wahren Gefährder der Demokratie, auszumachen. Und diese haben sich die Entwicklungen der letzten Jahre zunutze gemacht. „So war die Szene der ideale Unterschlupf für tatsächliche Nazis. Denn, und das wird manche überraschen, es gibt sie, die Rechtsextremen, mit denen man bei aller Offenheit besser nichts zu tun haben will. Die vielen anderen, die seit Monaten diffamiert worden waren, fragten sich inzwischen, ob man diesen Leuten nicht auch nur übel mitgespielt und sie zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt hatte“, schreibt Anke Behrend in einem Kommentar auf apolut.
Besonders linke Parteien heften sich nun den „Kampf gegen Rechts“ auf ihre Fahnen. Jene Parteien, die still blieben – oder sich sogar beteiligten -, als während der Pandemie Andersdenkende, insbesondere Ungeimpfte, aufs Übelste verleumdet und gemobbt wurden. Dass ausgerechnet Parteien wie die FPÖ sich für jene Ausgeschlossenen einsetzten, dürfte mit ein Grund für ihren stetigen Aufstieg sein.
Was ebenfalls gerne vergessen wird: Österreich wurde bereits vor zwei Jahren von einer liberalen Demokratie zu einer Wahldemokratie heruntergestuft. Das bedeutet, dass sich die demokratische Partizipation der Bevölkerung auf das Abgeben einer Stimme bei Wahlen beschränkt und das Volk an demokratischen Prozessen kaum beteiligt ist.
Auch die großen Medien haben in den vergangenen Jahren zum Verfall der Demokratie beigetragen, indem sie zu unkritisch über die Corona-Politik berichteten und manche Journalisten sich sogar an der Hetze gegen Andersdenkende beteiligten. „Als Medienschaffende beobachten wir mit zunehmender Sorge autoritäre Tendenzen in der Medienlandschaft, in Österreich und darüber hinaus. Unabhängiger, kritischer und ausgewogener Journalismus gerät zunehmend unter Druck“, heißt es im Manifest „Für eine Erneuerung des Journalismus in Österreich“, das einige engagierte Kollegen bereits im Herbst 2022 verfasst haben. Es wurde in Form einer Petition veröffentlicht, die nach wie vor unterschrieben wird – derzeit liegt sie bei über 18.800 Unterschriften.
Dass Demokratien weltweit längst gefährdet sind – und zwar nicht nur durch „rechts“ - haben bereits viele kluge Stimmen festgestellt, wie etwa Rainer Mausfeld. Der Wahrnehmungspsychologe schreibt in seinem Buch „Warum schweigen die Lämmer?“, dass die Mächtigen und Eliten dieser Welt kein Interesse an Demokratie im Sinne von Teilhabe des Volks haben. Er kritisiert, dass Alternativen wie partizipatorische Demokratie in der öffentlichen Diskussion praktisch nicht präsent sind.
Doch genau dort müssen wir hin, und dabei ist jede/r einzelne von uns gefragt. Im September 2021 wurde in Österreich der erste bundesweite Bürgerrat in Österreich zum Thema Demokratie durchgeführt. Er zeigte ein klares Bild: Bürger wollen und sollen besser eingebunden werden.
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