Matriarchat - Utopie oder Vorbild?
Matriarchat - Utopie oder Vorbild?
Heide Göttner-Abendroth | 24.08.2023 | 2 Minuten

„Das Interessante an matriarchalen Gesellschaften ist ja – im Gegensatz zur landläufigen Meinung – dass sie keine Umkehrung des Patriarchats sind. Das heißt, es ist jetzt nicht der Ersatz der Männerherrschaft durch Frauenherrschaft, sondern das Faszinierende daran ist, dass es Gesellschaften sind, die völlig ohne Herrschaft auskommen. Sie beruhen auf sehr intelligenten sozialen Spielregeln, die uns zu denken geben können.. Beispielsweise eine Egalität der Geschlechter, die gleichzeitig die natürlichen Unterschiede respektiert. Das heißt, Unterschiede werden nicht zu Hierarchie und Abwertung oder Aufwertung genutzt, sondern zu einer gegenseitigen Balance im Bewusstsein des Reichtums der Menschheit, auch der Natur. Oder solche spirituellen Prinzipien wie die Heiligung alles Lebens.

Wir kennen patriarchale Gesellschaften grundsätzlich als Akkumulationsgesellschaften. Da wo Herrschaft ist, wird auf der Seite der wenigen Herrschenden akkumuliert, also immer mehr Reichtum zusammengerafft. Ob das nun Monarchie, Oligarchie, Kapitalismus, Globalisierung heißt, es ist immer dasselbe Prinzip. Matriarchale Gesellschaften haben dagegen eine Ökonomie, die auf der Balance von allen an der Ökonomie Beteiligten aufbaut. Das heißt, sie haben sehr genaue Spielregeln, wie die Güter umlaufen, um einen ständigen Austausch herzustellen.

Es gibt einen grundsätzlichen Irrtum, dass in den matriarchalen Gesellschaften der Vatergott nun durch die Muttergöttin im Himmel ersetzt wird. Das ist völlig falsch. Denn in der matriarchalen Spiritualität herrscht überhaupt keine Trennung zwischen dem Göttlichen und der Welt. Die Welt selbst ist göttlich – die gesamte Welt, so wie sie ist.

Das ist die Vorstellung von göttlicher Immanenz. Sie ist ganz anders als die Vorstellung von göttlicher Transzendenz, bei der Gott und die Welt gespalten sind, Gott als allmächtig angesehen wird und die Welt als wertlos, ja böse und schlecht, was zu dem intoleranten Monotheismus geführt hat, den wir von allen patriarchalen Weltreligionen kennen.

Natur als ein Objekt zu betrachten, das man plündern kann, ist bei einer solchen Spiritualität und Mentalität nicht möglich. Und man kann auch keine natürlichen Polaritäten zu sich befeindenden Gegensätzen machen – wie wir das heute vom sogenannten Geschlechterkampf, vom Generationenkonflikt und vom Krieg zwischen Mensch und Natur kennen und für normal halten."

Heide Göttner-Abendroth, Kultur- und Matriarchatsforscherin

aus dem Buch "Altes Wissen für eine Neue Zeit"

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Heide Göttner-Abendroth

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