Die Natur gibt uns Samen
Die Natur gibt uns Samen
taz | 15.06.2023 | 3 Minuten

Vandana Shiva im Interview

Bei der Chipko-Bewegung umarmten indigene Dorfbewohnerinnen in den siebziger Jahren Bäume, um diese vor einer Abholzung für eine Apfelplantage zu schützen. Sie waren damals auch daran beteiligt.

Chipko machte mich zur ökologischen Aktivistin. Die Frauen sagten damals: Ihr könnt die Bäume fällen, aber erst müsst ihr uns töten. Die Aktion ging sehr lange, aber sie war erfolgreich. Wir stoppten die Plantage. Es war eine direkte politische Aktion, ganz im Sinne Mahatma Gandhis.

Gandhi steht für einen gewaltlosen Widerstand. Damit erkämpfte er 1947 die Unabhängigkeit Indiens.

Gandhi prägte mich sehr. Auch in meiner Arbeit gegen Monsanto. Ich erinnere mich an eine Konferenz zu Biotechnologie im Jahr 1987. Damals habe ich angefangen, zu genetisch verändertem Saatgut zu forschen. Die chemischen Industriekonzerne sagten damals, die Zukunft der Landwirtschaft liege in der Patentierung von Saatgut. Aber um das Saatgut überhaupt patentieren zu können, muss man es erst genetisch verändern. Die Unternehmen versuchten also Saatgut neu zu erfinden. Damals begannen Unternehmen wie Monsanto, die Nahrungsmittelproduktion zu kontrollieren.

Was hat das mit Gandhi zu tun?

Das Ganze erinnerte mich an die britische Kolonialzeit. Die Briten versuchten damals mit den sogenannten Salzgesetzen den Inde r:innen zu verbieten, eigenes Salz herzustellen. Sie wollten ein Monopol aufbauen. Aus Protest ging Gandhi mit Hunderten Menschen zum Strand, streifte seine Hand durch das Salzwasser und sagte: Die Natur gibt uns Salz umsonst, wir brauchen es für unser Überleben. Wir werden es weiter herstellen und eure Gesetze ignorieren. Das war der Salzmarsch.

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Einige Jahrzehnte später sammelten Sie Saatgut, das große Unternehmen wie Monsanto monetarisieren wollten.

Genau. Ich begann, wieder im Sinne Gandhis, die Saatgut-Satyagraha gegen die Patentierung und Monopolisierung von Saatgut. Satyagraha bedeutet so viel wie: Kraft der Wahrheit. Es geht darum, an die Vernunft des politischen Gegners zu appellieren, sie ist die Basis gewaltfreier Kooperation. Mein Gedanke war: Die Natur hat uns Samen gegeben, um Nahrung herzustellen. Deshalb werden wir keinem Gesetz gehorchen, das es uns verbietet, dieses Saatgut selbst zu sammeln oder miteinander auszutauschen.

Neben dem gewaltfreien Widerstand sagte Gandhi immer, man dürfe seinen Feind nie hassen.

Er hat immer gesagt: Du kannst die Tat verachten, aber niemals die Person hassen. Du kannst die gewalttätige Aktion hassen, aber du sollst dein Gegenüber respektvoll behandeln. Er hat die Brit:innen auch nicht gehasst. Aber er hat nicht akzeptiert, was sie in Indien getan haben.

Hassen Sie Monsanto?

Ich habe immer gesagt, bringt mir jemanden von Monsanto und ich werde ihn umarmen. Einmal kam jemand auf meinen Bauernhof und hat mich gefragt, warum ich ihn so sehr hasse. Ich wusste nicht, wer er ist, und fragte, warum ich ihn hassen sollte. Er sagte, er sei der Chef von Monsanto. Und ich erwiderte: Nun ja, ich hasse die Arbeit, die ihr macht, hasse euer Glyphosat, hasse eure Lügen und den Fakt, dass ihr Hunderttausende indische Bauern in den Suizid getrieben habt. Aber ich werde dich trotzdem wie einen Menschen behandeln.

Das gesamte Interview gibt es hier zu lesen.

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