Auf der kanarischen Insel La Palma haben Barbara und Erich Graf mit der Finca Autarca Matricultura ein Vorzeigeprojekt der Permakultur geschaffen.
La Palma im Atlantischen Ozean, Westseite: der Bus schlängelt sich entlang der Küste eine kurvenreiche Straße hinauf. Schon bei der Ankunft an der Busstation nahe der Stadt Tijarafe verliert sich der Blick in sattem Grün: Barbara und Erich Graf haben hier im Laufe der Jahre vier Hektar Ödland in ein fruchtbares Stück Land verwandelt.
2007 verließ das Paar Berlin, um sich auf La Palma niederzulassen und sich der Permakultur zu widmen. „Am Anfang lebten wir mit unseren zwei Kindern im Zelt“, erzählt Barbara Graf im Film „But Beautiful“ über diese entbehrungsreiche Zeit. Die Familie erwarb ein baufälliges kanarisches Bauernhaus, begann, es zu renovieren und das Land nach den Prinzipien der Permakultur umzugestalten. „Wir wollten einen Ort, an dem wir das Leben wieder einladen können“, erzählt Barbara. "Bevor die Kolonialisten hier ankamen, war La Palma ein Paradies im Ozean mit tausenden Vogelarten, fließenden Flüssen, Quellen und Seen", ergänzt Erich. "Dann wurde Holz geschlagen, im großen Stil Zuckerrohr angebaut, die Humusschicht ging immer mehr zurück. Schließlich kamen die Bananen-Monokulturen, die mit Subventionen gefördert wurden – unglaublich wasserintensiv: eine Bananenpflanze braucht über 60 Liter Wasser pro Tag." Als Vertreter der Permakultur möchten Erich und Barbara das Umfeld so gestalten, "dass Lebewesen sich wieder ansiedeln können.“
„Permakulturschaffende übernehmen Verantwortung für ihr Denken, Handeln und Fühlen, indem sie sowohl die Natur kapieren und kopieren als auch friedvolle Völker studieren und imitieren“, heißt es in einem Dokumentarfilm über die Finca Autarca Matricultura. Heute wachsen und gedeihen auf dem ehemals trockenen Boden vielfältige Pflanzen, das Haus ist energieautark. Bei einer Führung zeigen die Grafs Beispiele für permakulturelle Prinzipien, die natürliche Kreisläufe nachahmen.
Energieautarkie ist nur ein Baustein dieses Prinzips und Barbara bezeichnet sie als „Friedensarbeit im Alltag“: „Wenn wir das Militär nicht mehr unterstützen möchten, ist der erste Schritt, energieautark zu werden.“ Auf der Insel La Palma ist die Sonne eine verlässliche Verbündete: ein solarer Wasseraufbereiter liefert Warmwasser und die sogenannte Trombe-Wärmewand (nach dem französischen Ingenieur Felix Trombe) hält die Räume warm. Zum Kochen und Backen dienen ein Parabolkocher und eine Kochkiste – beide funktionieren ebenfalls mit Sonnenenergie. Zusätzlich sind am Dach einige Solarpanele installiert, die das Elektroauto der Grafs mit Energie versorgt. „In Deutschland hatten wir kein Auto, doch hier auf der Insel kommt man ohne Auto nicht weit“, erklärt Barbara.
Vor dem Haus trägt der Orangenbaum pralle Früchte, gut behütet von einer großen Dattelpalme. „Die Palme ‚gießt‘ mit ihrer Feuchtigkeit alle umstehenden Pflanzen“, erklärt Barbara. Voraussetzung für das Wohlbefinden der Pflanzen ist lebendige Erde, und die braucht wiederum eine intakte Humusschicht. Ein Herzstück der Finca ist die „Wurmfarm“: Mithilfe von Mist- oder Kompostwürmern werden in einer alten Badewanne Küchenabfälle zu wertvoller Komposterde. Barbara nennt die Würmer liebevoll „unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“; der von ihnen erzeugte Flüssigdünger hilft, die so wichtige Humusschicht in der Erde jedes Jahr um einen Zentimeter wachsen zu lassen. Auch im hauseigenen Kompostclo wird wertvolle Erde erzeugt: aus den Fäkalien, gemischt mit Einstreu zum Abdecken sowie Pflanzenkohle entsteht die sogenannte Terra Preta, die als besonders fruchtbar gilt. „Mit dem, was ein Mensch produziert, können wir letztendlich zwei Menschen ernähren“, erklärt Erich Graf.
Ihr reichhaltiges Wissen geben Barbara und Erich Graf in der Autonomen Akademie für Permakultur weiter: Matricultura begleitet Initiativen, die das Leben ins Zentrum stellen und berät beim Bau von Lebens-Biotopen. Zudem werden Gesellschafts-, Wirtschafts- und Kultursysteme auf ihre Ganzheitlichkeit und damit auf ihre Lebendigkeit analysiert. Unermüdlich setzen die Permakultur-Vorreiter sich für eine Welt ein, die zurück zur Natur findet. Ihr Motto: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche“
Aus der „Einführung zu Matricultura“:
Die Ausstiegspionierin erkennt die exponentiell wachsende Zerstörung von Mutter Erde und der Unterdrückung ihrer Schöpfung als Folge des patriarchal geprägten Weltenbildes und steigt bewusst aus. Der Ausstiegspionier sagt dem Chaos aus Kriegsgebrüll, ökonomischem und sozialem Unrecht, atomarer, gentechnischer und elektromagnetischer Verseuchung, Missbrauch und Ausbeutung, Logos-zentrierter Wahrnehmungs- und Ego-zentrierter Lebensweise ab.
Die Einstiegspionierin stellt das Lebendige ins Zentrum ihrer Arbeit und Aktivität. Sie fördert mit Mut und Kreativität das Lebendige, die Lust und die Gesundheit für alle Lebewesen, sie empfindet sich dem großen Ganzen, der Erde und ihrem Kosmos, zugehörig. Der Einstiegspionier begeht den Weg hin zum Lebendigen fokussiert auf den Ursprung, schöpft kraftvolle Visionen einer gesunden Mutter Erde und übernimmt die volle Verantwortung für sein Tun. Dabei gibt es für alle Bereiche des Lebens Umstellungen zu planen und zu realisieren, um Schritt für Schritt kompromissloser und lebenslustiger zu werden.
Wir alle stehen in Abhängigkeiten zum patriarchal geprägten Weltenbild und den bestehenden Systemen. Das geglückte Aussteigen ist daher nicht gewaltsam, von heute auf morgen möglich. Je tiefer und bewusster wir uns auf das Leben einlassen, umso eher wir unser Denken, Fühlen und Handeln: nährend, integrierend, das Schwache schützend, das Lebendige pflegend und ausgleichend gestalten, desto nachhaltiger steigen wir aus dem Missbrauch aus.“
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