Neulich besuchte ich mit meiner neunzehnjährigen Tochter einen Kleidertausch in einem kleinen Wiener Park. Wir trafen dort eine bunt gemischte Gruppe von Frauen jeden Alters, die eines verband: der Wunsch, dem Konsumdenken in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Wir probierten Hosen und Kleider, tauschten die Meinung dazu aus und als meine Tochter ein Trachtenkleid anprobierte, das perfekt passte, gab es viele Ahs und Ohs. Es fühlte sich leicht und friedlich an. Bei den Gesprächen ging es nicht um Politik oder darum, was gerade in der Welt los ist, sondern um einen kleinen Ausschnitt aus unserem Leben, und sie waren geprägt von gegenseitiger Wertschätzung. Als ich zu meiner Tochter sagte, wie schön ich diesen Austausch unter Frauen fände, strahlte sie mich an und sagte ja, ihr gehe es genauso.
Es ist schwierig geworden, ein Gespräch zu führen, ohne eine Meinung zu gerade aktuellen (welt-)politischen Themen zu haben. Wenn man es dennoch tut, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man ungefragt kategorisiert und schubladisiert wird - die Welt scheint nur noch aus schwarz und weiß zu bestehen. Besonders deutlich wurde das während der Corona-Krise und es setzt sich aktuell beim Krieg in Nahost fort. Die Themen werden immer von den Medien vorgegeben, meist drehen sie sich um Krisen, Kriege oder Katastrophen. Das Dauerfeuer an negativen Nachrichten scheint an Tempo zugelegt zu haben.
Vor allem in den „sozialen“ Medien sieht das dann so aus, dass man einer „Blase“ angehört, wo man auf Gleichgesinnte trifft, um aktuelle Themen zu diskutieren. Falls sich jemand dorthin verirrt, der einen anderen Standpunkt vertritt, wird er oder sie gnadenlos niedergemacht. Respekt für andere Meinungen? Fehlanzeige. Wertschätzende Diskussionen auf Augenhöhe sind selten geworden. Da kann es schon vorkommen, dass jemand ein Zitat zum Weltfrieden teilt und wenig später in einer Diskussion auf einen „Freund“ losgeht, der bei einem Thema nicht derselben Meinung ist.
Ja, es ist gerade viel die Rede von Frieden und doch scheint es so schwer zu sein, damit im Kleinen zu beginnen. Denn Frieden fängt immer bei uns selbst an und in alltäglichen Begegnungen.
Zum Glück gibt es genug Möglichkeiten, das Gemeinsame zu feiern statt das Trennende hervorzuheben. Weltweit kommen Menschen zusammen, um einen Unterschied zu machen. Wie etwa bei den Pioneers of Change, wo Menschen sich vernetzen, um einen Beitrag zum Wandel zu leisten. In Guatemala findet in diesen Tagen ein Treffen indigener Ältester aus aller Welt statt, die in einer Segnungszeremonie ein Zeichen für Frieden und Einheit setzen.
Und dann gibt es noch Friedensstifterinnen wie die israelische Musikerin Yael Deckelbaum, die 2016, während einer Gewalteskalation zwischen Israel und Palästina, einen „March of Hope“ organisierte. Am 19. Oktober 2016 marschierten israelische und arabische Frauen für den Frieden vom Norden Israels nach Jerusalem, am selben Abend protestierten 15.000 Frauen vor dem Haus des Premierministers in Jerusalem. Im Zuge dessen entstand das Lied „Prayers of Mothers“, das Yael Deckelbaum mit israelischen und arabischen Musikerinnen aufnahm.
Über diese Dinge hören wir nichts in den Nachrichten, doch genau darüber sollten wir reden.
Begegnungen wie jene beim Kleidertausch sind nur ein kleines Beispiel dafür, wie Frieden funktioniert. Überall, wo Menschen in gegenseitiger Wertschätzung zusammenkommen, kann etwas Magisches entstehen.
Susanne Wolf hat sich dem konstruktiven Journalismus verschrieben. Mit ihrer Arbeit möchte sie Menschen Mut machen und sie auffordern, einen Blick über den Tellerrand zu werfen.
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