Leben in Gemeinschaft - Projekte wie das Hofkollektiv Zwetschke zeigen, wie es geht.
Distelfalter, Admiral, Zitronenfalter - elf Schmetterlinge hat Ronja bereits gezählt . Die Fünfjährige assistiert ihrer Mutter beim Kontrollieren der biologischen Vielfalt auf dem Hof – Biodiversitätsmonitoring nennt sich das und wird von der EU im Rahmen des ÖPUL (Österreichische Programm für umweltgerechte Landwirtschaft) gefördert. Auch Pflanzen werden gezählt: „Wir haben über 100 Heide-Nelken gesehen!“, erklärt Ronja stolz.
Sommer im Hofkollektiv Zwetschke – das bedeutet auch Obst- und Gemüseernte. Im Folientunnel werden gerade Zucchini, Fisolen und Gurken reif und die Tomatenstauden sind voll mit Früchten, die in den verschiedensten Rot- und Gelbtönen leuchten. Kürbisse und Trauben brauchen noch ein wenig Zeit. Draußen warten köstliche Himbeeren und Heidelbeeren darauf, gepflückt zu werden – Obst und Gemüse werden biologisch angebaut.
Für Naturverbundene und Ruhesuchende ist dieser Ort genau das Richtige: etwas abgelegen in einer Talsenke, umgeben von Wiesen und Wäldern. Die Zwettl fließt direkt am Hof vorbei, ihr Rauschen liefert den Soundtrack des Sommers. Frühmorgens steuert der Hahn mit seinem Krähen eine weitere Note bei.
Drei Erwachsene und zwei Kinder leben zur Zeit auf dem Gemeinschaftshof nahe Zwettl im Waldviertel, gemeinsam mit drei Katzen und einigen Hühnern. Gerade spaziert Sue vorbei, eine schwarz-weiße Katze auf der Suche nach Streicheleinheiten. Auch eine Baustelle ist Teil des Sommers: In den nächsten drei Jahren ist der vollständige Ausbau der Gebäude geplant, die dann bis zu zehn Erwachsene plus Kinder aufnehmen können. Berni ist gerade dabei, mit einem extra angereisten Freund das Dach zu decken. „Menschen in einer Gruppe können mehr schaffen als Einzelne“, sagt Theresa. Mit ihrer Familie lebt sie seit zehn Jahren im Hofkollektiv, Sohn Finn feierte gerade seinen ersten Geburtstag.
„Wir möchten eine Gemeinschaft entwickeln und pflegen, in der sich die Menschen gegenseitig stützen“, ergänzt Theresa. Derzeit werden neue Mitglieder gesucht, die Mitverantwortung für das selbstverwaltete Projekt übernehmen.
Rücksichtnahme auf die Umwelt hat dabei oberste Priorität: Dazu gehört die Nutzung dessen, was bereits vorhanden ist, wie etwa Nährstoffe aus kompostierbaren Abfällen oder Wasserenergie, die mit einem kleinen Wasserkraftwerk an der Zwettl erzeugt wird. „Wir wollen mit unserer Lebensweise und unserem Konsumverhalten regionale, biologische und saisonale Produktion fördern“, erklärt Theresa.
Nutzen statt besitzen lautet ein weiterer Grundsatz der „Zwetschken“, etwa in Form von Carsharing. „Alleine durch das gemeinsame Wohnen schonen wir Ressourcen, da Einfamilienhäuser einen riesigen Ressourcenverbrauch haben“, ergänzt Theresa. Die Räume am Hof werden zudem nicht nur zum Wohnen genutzt, sondern auch für externe Aktivitäten zur Verfügung gestellt.
Um das alles und einiges mehr kümmert sich die Gemeinschaft am Hof selbstbestimmt und selbstverwaltet: um Obst- und Gemüseanbau, Instandhaltung und Renovierung der Gebäude, einen Kräuterbetrieb sowie eine Foodcoop - organisiert in Arbeitsgruppen. Regelmäßig setzen sich die Mitglieder zusammen, um anstehende Aufgaben zu besprechen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, auch in Bezug auf das Gemeinschaftsleben.
Finanziert wird das Hofkollektiv unter anderem durch Direktkredite. „Wir haben keinen Bankkredit aufgenommen, sondern borgen uns Geld bei Privatpersonen und ermöglichen dadurch den Aufbau unseres Gemeinschaftsprojektes“, erklärt Berni. Direktkredite bieten die Möglichkeit, vor Ort selbst zu erfahren, wofür das geliehene Geld genutzt wird – bei Banken schwierig. Eine weitere Möglichkeit, das Projekt zu unterstützen, ist eine Fördermitgliedschaft oder Mithilfe vor Ort, z.B. in Form von wwoofen.
Ronja und Theresa sind mit dem Zählen der Schmetterlinge fertig, nun wird gekocht: Zum Mittagessen wird das frisch geerntete Gemüse verarbeitet – Zucchini und Fisolen.
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