Tauschen statt kaufen
Tauschen statt kaufen
Susanne Wolf | 26.04.2023 | 5 Minuten

Immer mehr Initiativen setzten sich für das Tauschen und Teilen von Dingen ein, die wir im täglichen Leben brauchen. Auf diese Weise werden Menschen vernetzt und Ressourcen geschont.

Tauschkreise, Kleidertauschparties oder Carsharing: Tauschen und teilen liegt im Trend. Vor allem Kleider zu tauschen statt zu kaufen, wird immer beliebter, wie bei einem Event in Wien: In der Wiedner Hauptstraße werden unter freiem Himmel Kleider getauscht, was an Kleidern übrigbleibt, wird an die Carla Läden der Caritas Wien gespendet. „Ich mag Kleidertauschbörsen, weil ich Dinge, die ich nicht mehr brauche, gegen etwas Neues eintauschen kann und dabei auch noch Geld spare“, sagt Amelie W., die bereits einige Kleidungsstücke getauscht hat.

Alternativen zum Shoppen

Tauschen statt kaufen, teilen statt besitzen – immer mehr Menschen möchten dem unbedachten Konsum, der unsere Gesellschaft prägt, etwas entgegensetzen. Denn die Ressourcen des Planeten werden gnadenlos ausgebeutet – durch ein Wirtschaftssystem, das ständig neue Waren produziert und von Konsumenten, die unkritisch einkaufen.

Gerade bei Kleidung sind die Auswirkungen der Massenproduktion riesig: Fast Fashion wird immer billiger produziert und findet in immer kürzer werdenden Abständen den Weg in die Geschäfte: Große Textilunternehmen bringen jedes Jahr bis zu 24 Kollektionen auf den Markt. Um die Mode möglichst billig produzieren zu können, werden Arbeiter und Näherinnen in den Herstellerländern China, Bangladesch und Indien ausgebeutet. Dazu kommen ökologische Probleme wie beim Baumwollanbau: Die Herstellung eines einzigen T-Shirts verschlingt 2700 Liter Wasser; nirgendwo werden so viele Pestizide verwendet wie in der Baumwollproduktion.

Es gibt zahlreiche Alternativen zum unkritischen Shoppen: Neben dem Tauschen oder dem Kaufen von Second Hand-Mode gehört dazu auch der Kauf von Kleidungsstücken, die nachhaltig hergestellt wurden oder Kleidung prinzipiell möglichst lange zu tragen.

Bücher zum Mitnehmen

Zu den ältesten Beispielen für ein erfolgreiches Sharing-Modell zählen Bibliotheken und Büchereien. Auch offene Bücherschränke, oft in ehemaligen Telefonzellen, werden immer beliebter. Unter Nachbarn werden gerne Bohrmaschinen oder sonstige Haushaltsgeräte geteilt; ebenfalls bewährt sind Waschsalons oder -küchen, wie es sie in vielen städtischen Neubauten bereits gibt. Hinter all diesen Sharing-Modellen steht der Gedanke, dass nicht alles, was man braucht, neu gekauft werden muss.

Ein Auto für Viele

Während viele Sharing-Modelle auf großen Online-Plattformen zu finden sind, wächst auch die Zahl der privaten Initiativen: Britta S. teilt sich mit zwei anderen Frauen ein Auto. „ Ich hätte sicher kein eigenes Auto, wenn es diese Vereinbarung nicht gäbe“, sagt die Wienerin. Koordiniert wird das private Sharing-Konzept über die App "WeeShare". „Wenn sich jemand von uns einträgt, sind diese Termine blockiert. Jede tankt das Auto voll, bevor sie es zurückgibt.“ Laufende Kosten wie Versicherung werden gedrittelt, alles andere wird anhand der gefahrenen Kilometer prozentuell aufgeteilt. Und mögliche Unfälle? „Es ist noch kein Unfall passiert, aber wir haben uns überlegt, dass wir die anfallenden Kosten dritteln würden“, sagt Britta S. „Denn es kann jeder von uns passieren.“

Bei Plattformen wie Getaround oder GoMore können Autos gemietet oder auch vermietet werden. „Unsere Städte sind voll von geparkten Autos“, heißt es auf der Homepage von GoMore. „96 Prozent der Zeit stehen sie nutzlos herum - und falls sie mal benutzt werden, dann sitzt man meist alleine drin.“ Das Ziel der Betreiber ist es, die Zahl der Autos in den Städten zu halbieren. Julia S. vermietet ihr Auto über beide Plattformen und ist zufrieden damit: „Ich brauche mein Auto nur an kalten Winter- oder Regentagen, sonst fahre ich mit dem Fahrrad.“ Über die Einnahmen aus der Vermietung erhält sich das Auto selbst. Dass das Modell beliebt ist, zeigt die Dichte der Autos im Bezirk der Wienerin. „Allein in meiner näheren Umgebung gibt es fünf Autos, die auf Getaround registriert sind“, so Julia S., die in fünf Jahren Vermietung nur gute Erfahrungen gemacht hat.

Zusammen ist man nicht alleine

In Kärnten setzt sich der Verein Together für den Erhalt von Lebensmitteln und anderen Dingen ein. „Bevor etwas in der Mülltonne landet, retten wir es und geben es weiter – egal ob Lebensmittel, Bücher, Kleidungsstücke oder Haushaltsgeräte“, sagt Julia Petschnig, die im Kärntner Ort Ledenitzen den Verein gegründet hat. Together arbeitet mit Super- und Großmärkten zusammen, um nicht verkaufte Lebensmittel abzuholen. Die Weitergabe findet in sogenannten Together Points statt, in angemieteten Räumen oder Lokalen. „Wichtig ist uns, dass jeder zu uns kommen kann, es gibt keine ,Bedürftigkeitsgrenze‘ wie bei anderen Organisationen“, so Petschnig. Eine wachsende Zahl an Menschen komme nicht nur aus ideologischen, sondern auch aus finanziellen Gründen. „Im ersten Corona-Lockdown, als alle anderen zugesperrt haben, haben wir innerhalb von sechs Wochen über 1000 Sozialpakete ausgeliefert.“ 400 ehrenamtliche Helfer und Helferinnen arbeiten im Verein mit, 15 Mitarbeiter sind angestellt.

Zeit statt Geld

In den sogenannten Talente-Tauschkreisen werden nicht nur Dinge, sondern auch Dienstleistungen getauscht. Bei GEA trifft sich der Tauschkreis Waldviertel-Nord jeden ersten Mittwoch im Monat. Im Vordergrund stehen Austausch sowie Hilfe zwischen den Menschen und das Tauschen von Dingen, Selbstgemachtem und Dienstleistungen. Die Veranstalter sind überzeugt davon, dass jeder Mensch ein Talent hat, das vielleicht noch im Verborgenen liegt. Das kann dazu führen, dass ein nicht mehr gebrauchtes Haushaltsgerät gegen einen Haarschnitt eingetauscht wird - und alle zufrieden nachhause gehen.

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