von Andreas Wagner (Brennstoff)
Wie die Tageszeitung „Le Figaro“ und der TV-Sender ARTE berichteten, ist die südfranzösische Stadt Albi auf dem Weg, ein zukunftsweisendes Projekt in großem Stil umzusetzen: die landwirtschaftliche Selbstversorgung einer ganzen Stadt aus urbanem und stadtnahem Ökolandbau. Zumindest teilweise wird dieser sogar nach Grundsätzen der Permakultur gestaltet.
Nicht nur viele kleine Schritte, sondern endlich auch große Schritte sind gewiss erforderlich, um die für uns Menschen existenziellen Krisen unserer Zeit in den Griff zu bekommen (die Klimakrise und das massive Artensterben). Die Stadtpolitiker und Menschen von Albi haben alle Kleinmütigkeit und Kleindenkerei abgeworfen, die auf unseren älteren Generationen und Entscheidungsträgern zu lasten scheint, wie der Fluch und Starrsinn einer überlebten Zeit und Epoche.
In Albi geht’s um ein, für regionale Initiativen, tatsächlich außergewöhnlich groß dimensioniertes Projekt, geht’s um Bausch und Bogen, und keine halben Sachen, geht’s um rationale Klarheit und groß gedachte rationale Konsequenz.
Das Projekt in Albi ist 2014 angelaufen. Bis 2020 (oder schon bald danach) sollen alle 50.000 Bürger und Bürgerinnen Albis ihr Gemüse und Obst als Bio-Gemüse und Bio-Obst ausschließlich lokal und regional beziehen können – aus städtischen Gärten in und um Albi und von Feldern und Gärten im umliegenden Departement Tarn (im Radius von max. 60 Kilometern Entfernung). Das Ziel von Albi ist letzten Endes die weitgehende ökolandwirtschaftliche Selbstversorgung der Stadt.
Der Kopf des Projekts von Albi ist Vizebürgermeister Jean-Michel Bouat. Die Stadt stellt seinem Ressort für diese Amtsperiode 300.000 Euro zur Verfügung, um Feld- und Gartenflächen in Albi und der umgebenden Region Tarn zu kaufen. Dabei ist vorgesehen, auf diesem Wege letztlich 1.200 Hektar an (junge) Landwirte und Gärtner zu verpachten, die (zumindest teilweise nach Prinzipien der Permakultur) Bio-Obst und Bio-Gemüse für Albi produzieren. Der ab dem dritten Jahr anfallende Pachtzins ist dabei äußerst gering.
„Mit unserem Projekt der autarken Ernährung“, so Albis Vizebürgermeister Bouat, „wollen wir keine Türen verschließen. Wir wollen auch nicht sofort alles selbst produzieren. Aber wir können zunächst 15 bis 20 Produkte lokal herstellen.“
Die Stadt Albi, Hauptstadt des Departements Tarn, liegt rund 80 Kilometer nordöstlich von Toulouse in Südfrankreich (Okzitanien). Anfang des 13. Jahrhunderts war sie ein Hauptort der dann blutig unterdrückten südfranzösischen Katharerbewegung (auch, nach der Stadt, „Albigenser“ genannt). Und der weltberühmte spätimpressionistische Maler Henri Toulouse-Lautrec wurde 1864 in Albi geboren.
Die Stadt sorgt dafür, dass die Bio-Agrarprodukte ihrer Pächter und ansässiger Öko-Landwirte auf den Märkten von Albi, in den Geschäften, den Kindergärten und Schulen usw. angeboten und abgenommen werden. So entsteht ein regionaler Kreislauf, der ökologische, soziale und nachhaltige ökonomische Prinzipien verbindet; der lange Transportwege vermeidet; der Arbeitsplätze in der Region schafft und hält; der den Bauern bessere Absatzpreise und damit bessere und dauerhafte Arbeit ermöglicht; der naturnahe und damit sehr gesunde, sehr schmackhafte Produkte liefert; der viel CO2 vermeidet, um zum Klimaschutz beizutragen; und der durch naturnahen Landbau (ohne Pestizide oder künstliche Düngung) erheblich zum Schutz des Bodens, des Wassers und der Artenvielfalt beiträgt.
Zudem wird mit alledem in der Stadt Albi das ökologische Bewusstsein der Bürger und Bürgerinnen beflügelt. Schon im Kindergarten lernen die Kleinen in den eigenen Permakulturgärten, dass Tiere, Pflanzen, Erde und Mensch in einem gemeinsamen Kreislauf und gegenseitiger, unauflöslicher Wechselbeziehung stehen.
„Ich stamme selbst aus einer Bauernfamilie“, erzählt Bouat. „Die Entwicklung bei den normalen Landwirten habe ich hautnah mitbekommen. Es ist immer das Gleiche: ein Wettrennen zwischen Profit und Schulden. Und ich habe mir gesagt, das müssen wir ändern. Wir müssen wieder zu den Ursprüngen des Berufs des Bauers zurückkehren.“
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Artikelfoto: © Southtownboy / istock-photo