Es gibt nur ein einziges politisches Problem: die Erkenntnis der Einheit aller Menschen
GEWALT BESTEHT NICHT NUR darin, andere zu töten. Wir sind gewalttätig, wenn wir ein hartes Wort gebrauchen, wenn wir eine Geste machen, mit der wir einen Menschen abtun, wenn wir gehorchen, weil wir Angst haben. Gewalt liegt also nicht nur in organisierter Metzelei im Namen Gottes, im Namen der Gesellschaft oder eines Landes. Gewaltsamkeit ist viel subtiler und geht viel tiefer, und wir wollen ihre letzte Tiefe erforschen. Wenn Sie sich als Inder oder Moslem oder Christ oder Europäer oder irgendetwas anderes bezeichnen, sind Sie gewalttätig. Erkennen Sie, warum es so ist? Weil Sie sich von der übrigen Menschheit isolieren. Wenn Sie sich durch einen Glauben, durch Nationalität, durch Tradition absondern, wird dadurch Gewalt er - zeugt. Ein Mensch, der die Gewalt zu verstehen sucht, darf keinem Land, keiner Religion, keiner politischen Partei oder einem besonderen Sytem angehören. Für ihn ist es allein wichtig, das Men schengeschlecht völlig zu verstehen.
- Jiddu Krishnamurti
ALEXANDER KLUGE über eine Frau, die den Bomben - an griffen von 1944 mittellos ausgeliefert war: »Sie hätte vielleicht Mittel gehabt im Jahr 1928, wenn sie sich da noch, vor einer Entwicklung, die dann auf Papen, Schleicher und Hitler zuläuft, mit andern organisiert hätte. Also die Organisationsfrage liegt 1928 und das dazu gehörige Bewusstsein liegt 1944.« Wie könnten wir dahin kommen, jenes spätere und daher klügere Bewusstsein jetzt schon zu entwickeln?
Die Macht, die anfängt zu wachsen, wenn Menschen sich umeinander sorgen
MARSHALL B. ROSENBERG: Gandhi hat gesagt, dass Gewaltanwendung für ihn der letzte Ausweg ist, wenn wir wirklich nur diese zwei Alternativensehen: dem Terror zusehen oder einschreiten. Doch er war davon überzeugt, dass es andere Herangehensweisen gibt, die sehr viel wirkungsvoller sind. Es gibt einen dritten Weg, der machtvoller ist und mit dem man mehr erreicht als mit den beiden ersten Optionen. Gandhi sah es ungern, wenn man ihm nachsagte, er predige die absolute Gewaltfreiheit. Wussten Sie, dass das Wort Gewaltfreiheit gar nicht seine Erfindung war? Man wusste einfach nicht, wie man seine Worte »Ahimsa« und »Satyagraha« übersetzen sollte. Als Gandhis Ideen im Westen populär wurden, war plötzlich von Gewaltfreiheit die Rede, weil keinem eine stimmige Formulierung für diese wundervollen Worte eingefallen ist. Gandhi meinte damit die Macht, die anfängt zu wachsen, wenn Menschen sich um einander sorgen. Er hatte die gleiche Vision, die Rumi in seinem Gedicht beschreibt: »Jenseits von Richtig und Falsch liegt ein Ort, dort treffen wir uns.« Genau diesen Ort hat Gandhi gemeint, weil er wusste, dass wir stärker sind, wenn wir von diesem Ort kommen. Er hat immer gesagt: Ich bin machthungrig, ich möchte Dinge ändern. Aber für ihn gab es keine bösen Menschen. Er hat daran geglaubt, dass der Wandel in dem Moment beginnt, in dem wir die Schönheit dieser Vision sehen können. Gibt es Ihrer Meinung nach so etwas wie einen gerechten Krieg? Nein. Wenn ich die militärischen Interventionen der USA kritisiere, dann sagen viele: »Was hätten Sie denn getan, als Pearl Harbour bombardiert wurde?« Ich sage dann: »Wenn’s so weit gekommen ist, dann sind die Möglichkeiten tatsächlich ziemlich limitiert, aber wie wär’s mit einer anderen Politik zwei Jahre vor der Bombardierung?!«