Das Kongo Tribunal
Das Kongo Tribunal
Brennstoff Nr. 56 | Heini Staudinger | 07.02.2024 | 3 Minuten

Recht und der ernsthafte Versuch um Gerechtigkeit sind Bedingungen für Frieden

Das Kongo Tribunal ist ein weiteres ambitioniertes Projekt von Milo Rau. Seit über 20 Jahren verwandelt ein unüberschaubarer Bürgerkrieg im Osten der demokratischen Republik Kongo ein Gebiet von der Größe Westeuropas in eine Hölle auf Erden. Viele Beobachter sehen in diesem Krieg nicht nur den Kampf um die polititsche Vorherrschaft in Zentralafrika, sondern zugleich eine der entscheidenden wirtschaftlichen Verteilungsschlachten im Zeitalter der Globalisierung. Denn der Grund für den Fortbestand des Krieges sind längst nicht mehr nur ethnische Gegensätze, sondern die für das 21. Jahrhundert überlebenswichtigen Technologie-Rohstoffe.

Milo Rau hat in einem symbolischen Theatertribunal drei exemplarische Fälle aus diesem Konflikt erstmals vor einer unabhängigen Jury verhandeln lassen. Dabei ist das scheinbar Unmögliche gelungen: alle Beteiligten – Regierung, Opposition, Militär, Rebellen, internationale Minenkonzerne, lokale Minenarbeiter, Bauern, Opfer, Täter, Menschenrechtsaktivisten und Globalisierungsexperten – wurden involviert und konnten zu Zeugenaussagen in dem öffentlich abgehaltenen Tribunal bewegt werden.

Der Erfolg dieser symbolischen Verhandlungen war durchschlagend, weil erstmals in zwei Jahrzehnten ein geschützter öffentlicher Raum geschaffen wurde, in dem die Opfer von Vertreibung, Enteignung, Vergewaltigung und Mord ihre Anliegen und Anklagen vorbringen konnten und die dafür (Mit-)Verantwortlichen ihnen zuhören mussten. Im Anschluss an das Kongo Tribunal traten zwei Minister und in der Folge auch der Gouverneur der Provinz zurück.

2020 möchten die international renommierten Juristen Jean Louis Gilissen, belgischer Anwalt und Mitbegründer des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, und Maître Sylvestre Bisimwa, kongolesischer Menschenrechtsanwalt, in einer nächsten Stufe des Vermittlungsprozesses zwischen den beteiligten Konfliktparteien eine Form kontinuierlicher zivilgesellschaftlicher Gerichtsbarkeit auf lokaler Ebene etablieren. Mehrere Tribunale (zunächst fünf) an verschiedenen Orten der Region sollen sicherstellen, dass Aufarbeitung, Anklageerhebung und Dokumentation von Verbrechen fortlaufend weitergeführt werden.

www.the-congo-tribunal.com

Die Hoffnung der Menschen heißt Frieden. Sie wollen Frieden. Was sonst. Ihre Wirklichkeit heißt Krieg. Die einen sterben. Die, die fliehen können, fliehen. Die dort (Über-)Lebenden hoffen auf die Zivilgesellschaft. Sie hoffen, dass wir nicht wegschauen.

Milo Rau hat dazu/darüber einen unglaublich guten Film gemacht.

DAS KONGO TRIBUNAL

Der Film zeigt nicht nur die harte Wirklichkeit: Er zeigt auch Möglicheiten und Wege. z.B. zwei Minister und der Gouverneur mussten nach dem Kongo Tribunal zurücktreten. Der Film ist auch sehr berührend. Besonders berührend finde ich die Szene, in der der belgische Richter auf die Frage, warum er denn beim Kongo Tribunal mitmache, antwortet, ès genüge einfach nicht nur an das Eigene zu denken. Mensch-sein ist mehr.

Wir haben das Gefühl, immer mehr zu wissen und immer schneller zu handeln – in Wahrheit findet aber eine Einschränkung, fast Lähmung unserer Entschlussfähigkeit statt. Wie Teenager sitzen wir unbeweglich und lethargisch in unseren Zimmerchen, in unseren Köpfen aber rasen die Gedanken. Die technische Entwicklung hat unseren Willen gelähmt und unsere seelischen und sozialen Algorithmen völlig ins Ungleichgewicht gebracht. Es ist, als würden wir von den technischen Apparaten in einer totalen Gegenwart festgehalten, während der Planet in den Untergang rauscht. Insofern bin ich auf der Seite von allen, die die Handlungsfähigkeit der Individuen und zivilgesellschaftlichen Akteure wieder wachrütteln wollen.
MILO RAU

AFRIKA-SPENDENKONTO ltd. auf Heinrich Staudinger für Afrika
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