Sprachlose Nähe
Sprachlose Nähe
Brennstoff Nr. 50 | Huhki Henri Quelcun | 12.02.2024 | 4 Minuten

Von den fehlenden Worten zwischen Frauen und Männern

Herz ging zu Freundschaft: »Bist Du es, die mich so pochen lässt?« »Ich bin es nicht allein ... Es ist treuer als ich!« Herz ging zu Leidenschaft: »Bist Du es, die mich so hüpfen lässt?« »Ich bin es nicht allein ... Es ist wilder als ich!« Herz ging zu Liebe: »Bist Du es, die mich so schmelzen lässt?« »Ich bin es nicht allein ... Es ist tiefer als ich!« Da ging Herz zu Stille: »Bist Du es: treuer als Freund schaft, wilder als Leidenschaft, tiefer als Liebe?« Stille sagte nichts. Sie war es.

Verantwertung. »Die Ordnung der Menschen kommt aus der Ordnung der Worte.« Konfuzius. »Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.« Wittgenstein. Werte und Worte bedingen einander. Wir verstehen in Krisenzeiten nicht, was wir selber sagen. Sprache war schon immer im Fluß. Was wir derzeit erleben, ist – wie in China zur »Zeit der Streitenden Reiche« – aber kein Dahinf ließen, vielmehr ein Wasserfall.

Ein Sturzbach von Neologismen, Wortneuprägungen, im Guten und weniger Gelungenem ... Ein verhängnisvolles Produkt der Denkprothesen-Industrie ist beispielsweise »Islamophobie«; phobos (φοβος ) heißt eben noch immer: Furcht, unschuldiges Schlottern, vor dem Krampus oder der Schlange, dem Flug. Und wenn - das »männerbündisch« gepflegte – Frauenhassen noch immer als Misogynie gebrandmarkt wirkt, wäre der diffuse Groll gegen eine Familie von monotheistischen Glaubenshaltungen, welche ohne den Propheten Muhammad nicht existierten, Mislamismus zu nennen! »Phobie« ist das falsche Etikett und führt zu verfehlten Fragestellungen!

Alle Menschen werden Schwestern? Was hat das alles mit dem Urverhältnis zwischen Frau und Mann zu tun, das für mich im Grunde noch immer ein gutes, ein »Na turgut« ist, trotz vieler patriarchaler Mythen und dem einen Mythos vom Patriarchat? Nun, es ist klar, dass gerade hier, im (noch) sogenannten Geschlechtlichen, die Sprache ausfranst, wie kaum sonstwo. Und es ist auch völlig richtig, wie die feministische Kritik hier auf weiße Flecken hinweist, welche die linguistische Landkarte noch immer übersäen. Die so revolutionären Franzosen, die sich nicht scheuten, die jahrtausendealten Monatsnamen abzuschaffen, kompromisslos dem muckerischen »bourgeouis« den kühnen »citoyen« entgegenstellten – sie waren reaktionär und herzenstaub genug, um neben Freiheit ( liberté ) und

Gleichheit (égalité) als dritten Grundwert nur den halben Wert zum vollen Preis die Brüderlichkeit (fraternité) zu proklamieren! Es fiel ihnen einfach nicht auf, genausowenig wie den »Freigeistern« Schiller und Beethoven. Aber ersetze einmal im Fidelio (»Es sucht der Bruder seine Brüder...« ) oder in der Ode an die Freude alle maskuline Herzlichkeit durch die feminine: »Alle Menschen werden Schwestern, wo Dein sanfter Flügel weilt ...« DAS wäre den Lesenden und Hörenden sehr wohl aufgeblitzt, hätte ihnen den blinden Fleck bewusst gemacht! Aber wie sollen wir die Utopie einer Menschheitsfamilie nun auf den Begriff bringen? (»Geschwister« kennen leider keine Einzahl! )

M+F=G? In Mozarts Zauberf löte geht’s schon ein bisschen ausgewogener zu. »Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an!« Aber als was? Diese Arie wird vom »Spaßvogel« Papageno und der fast über irdischen Prinzessin Pamina gesungen ... Es geht hier um Liebe, und zwar durchaus um sinnenfrohe, aber eben nicht um die Beziehung zwischen dem Halbwilden und der Halbgöttin ... Und gerade darin, dass die beiden nicht einander, sondern zusammen begehren, wechselseitig das jeweilige Glück von Herzen wünschen, sehe ich einen Vorgeschmack von »Geschwisterlichkeit« zwischen den Geschlechtern! In der Poesie, der Musik; im real existierenden Kommunikationsrepertoire sind wir noch lange nicht so weit ...

Umwortung. Ich lausche in der Schnellbahn gern. Gratis-Hörspiele statt Gratis-Zeitungen. Und da gibt’s immer ähnliche Begriffsverwirrungen, wenn’s um »Bezie hungen« geht: »Mein Freund hat gesagt ... « »Was, wer ist es, ich hab geglaubt, du bist Single?« »Nicht so ein Freund! Ein Bekannter, aber wir sind gute Freunde ...« »Schläfst du mit ihm manchmal?« »Nein, das wär ja Freundschaft plus ... « »Also platonisch?« »Nein... kameradschaftlich!« So läuft es unter Jugendlichen. Aber glaube nicht, dass es in anderen Alterstufen keine beziehungsbedingten »Wortfindungsstörungen« gäbe! »De Meinige«; »A Bekannte«; »A sehr enge Bekannte«. Ja, oft wissen Männer und Frauen nicht, welche Beziehung sie zueinander haben. Klingt übrigens dürftig und unpersönlich. Beziehung. Haben. Noch schlimmer: Oft heißt das geliebte Wesen einfach »meine Beziehung«. »Ah der da drüben is’ deine neue Beziehung!?« Es ist wirklich besser, in der Stille zu verweilen. Sie enthält alles. Treuer als Freundschaft. Wilder als Leidenschaft. Tiefer als Liebe. Lasst sanfte Wünsche oder kraftvoll schöne Taten sprechen. Die Worte werden folgen!

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