Wir alle leben in „Beziehungen“; in Echos eines ursprünglichen Zusammenhanges. Die einzige Hoffnung, die „wir“ haben, sind WIR! Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung, wie Albert Camus es lehrte.
Solitaire & Solidaire. Albert Camus‘ Novelle „Jonas“. Ein junger Mann, dem alles mühelos gelingt. Und der als Maler sofort erfolgreich wird. Bis er eine Malhemmung bekommt. (Darin spiegelt sich Camus‘ zeitweilige Schreibhemmung.) Das letzte Werk des Jonas: Eine leere Leinwand mit nur einem Wort. Und es ist so hingefetzt, dass niemand entscheiden kann: meint er solitaire (für-sich) oder solidaire (mit-einander) ...?
Was hat das mit „uns“ zu tun? Alles! Die Menschheit zerfällt in globaler Einsamkeit. Dabei bleibt beides wichtig: die Balance zwischen „einsam“ und „gemeinsam“! Malt Jonas für sich oder für andere? Schreibe ich hier für mich oder Dich? Für wen sitzt die alleinerziehende Billa-Kassiererin an der Kasse? Für die Kunden? Den Filialleiter? Ihr Konto? Ihr Kind? Alles, was wir tun, vollbringen wir für uns selbst und unzählige andere Wesen ... Nur merken wir es nicht; ich bin viel selbstsüchtiger & selbstloser, als ich nahe der Oberfläche „weiß“ ...
Die Fremdung. Tagtäglich sind wir wo-anders; wann-anders; wie-anders. Wer kann schon sagen: „Wovon ich lebe – dafür lebe ich auch“? Camus: Die Götter hatten Sisyphos dazu verurteilt, einen Felsblock unablässig den Berg hinaufzuwälzen, von dessen Gipfeln der Stein kraft seines eigenen Gewichts wieder hinunterrollte. Sie meinten nicht ganz ohne Grund, es gäbe keine grausamere Strafe, als unnütze und aussichtslose Arbeit. Der Arbeiter von heute arbeitet sein Leben lang an den gleichen Aufgaben, und sein Schicksal ist genauso absurd. Wer wird nicht im Streckbett zwischen Erinnerung & Hoffnung auseinandergerissen? Wer misst sich nicht im Spiegel, sei es der im Bad, im Auge der anderen, in der Selbst-Einschätzung? Oder im Face-Book, der Plattform der Scheinbegegnung konturloser „Gesichter“ ... Wir leben nicht, wir lassen leben im TV, wo andere die Abenteuer verschauspielen, die uns entgehen! Wir über-leben gerade noch: entfremdet / verfremdet / befremdet ... Es gibt ein südafrikanisches Musical „Ipi Tombi“, darin heißt es: „For once I lived / I was alive / and now I only survive!“ Die Fremdung metastasiert. Erinnere Dich an Sound of Silence von Simon & Garfunkel:
People talking without speaking
People hearing without listening
People writing songs that voices never share
And no one dared
Disturb the sound of silence
„Fools“, said I, „You do not know
Silence like a cancer grows!“
Sinne statt „Sinn“. Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung. Sagt Camus schon in seinem ersten Roman. Wir Menschenwesen haben die – vielleicht einzigartige – Fähigkeit, Gemeinschaft nicht nur zu leben, vielmehr die Gemeinsamkeit zu reflektieren, immer wieder neu zu erschaffen und auszuweiten. Sagen wir nicht: „Genug geredet, tun wir was ...“ Das hab ich schon unzählige Male gehört. Wir haben dann immer in die Hände gespuckt und sie später in Unschuld gewaschen. Weil wir nie was getan haben!