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Brennstoff Nr. 51 | Gene Sharp, Susan George, Henry David Thoreau | 12.02.2024 | 4 Minuten

Heimlich und hastig entrinnt uns unbemerkt flüchtig das Leben – Schneller ist nichts als die Jahre. Wir aber dachten, es wäre noch so viel Zeit.

Die Fabel vom Affenmeister

Im Feudalstaat Chu überlebte ein alter Mann, indem er Affen hielt, die für ihn sorgten. Die Men schen in Chu nannten ihn »ju gong«, den Affen meister. Jeden Morgen versammelte der alte Mann die Affen im Hof seines Hauses und befahl dem ältesten von ihnen, die anderen in die Berge zu führen, wo sie von Sträu chern und Bäumen Früchte sammeln sollten. Die Regel lautete, dass jeder Affe ein Zehntel des von ihm Gesammelten an den alten Mann abzugeben hatte. Wer das nicht tat, wurde brutal geschlagen. Alle Affen litten bitterlich, wagten es jedoch nicht, sich zu beklagen.

Eines Tages fragte ein kleiner Affe die anderen: »Hat der alte Mann all die Sträucher und Bäume gepflanzt?« Die anderen antworteten: »Nein, sie sind ganz natürlich gewachsen.«

Der kleine Affe fragte weiter: »Kön nen wir die Früchte nicht ohne Erlaubnis des alten Mannes nehmen?« Die anderen erwiderten: »Ja, das können wir alle machen.« Der kleine Affe fuhr fort: »Warum sollten wir dann von dem alten Mann ab hängig sein; warum müssen wir ihm alle dienen?«

Noch bevor der kleine Affe seine Ausführungen beenden konnte, ging allen Affen plötzlich ein Licht auf und sie erwachten.

Noch in der gleichen Nacht warteten die Affen, bis der alte Mann eingeschlafen war, und rissen dann die Umzäunungen des Geheges nieder, in dem sie eingesperrt waren, und zerstörten das Gehege vollständig. Sie nahmen zudem die Früchte, die der alte Mann gelagert hatte, mit sich in die Wälder und kehrten nie mehr zurück. Der alte Mann starb schließlich an Hunger.

Yu-li-zi sagt: »Manche Menschen auf dieser Welt re gie ren ihr Volk durch Hinterlist und nicht durch rechtschaffene Prinzipien. Sind sie nicht genauso wie der Affenmeister? Sie sind sich ihrer Wirrköpfigkeit nicht bewusst. Sobald ihrem Volk ein Licht aufgeht, funktionieren ihre Hinter lis ten nicht mehr.«
Gene Sharp

Angst ist der Disziplinierungsmechanismus der kapitalistischen Gesellschaft, und heute haben viele Menschen Angst. Davor, dass alles schlimmer wird. Dass sie ihren Job verlieren, wenn sie einen haben. Dass sie keinen mehr finden, wenn sie arbeitslos sind. Dass es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen. In einigen Ländern fürchten die Menschen, ihre gesund heitliche Versorgung zu verlieren, ihre Arbeitslosenver sicherung oder ihre Pension. Viele, vor allem in den USA, leben von der Hand in den Mund, Monat für Monat, und fürchten, dass sie obdachlos werden. Gleichzeitig – und aus nahezu denselben Motiven – sind die Menschen zornig, weil ihnen klar ist, dass sie in einer unmoralischen Welt leben, in der die Schuldigen belohnt und die Unschuldigen bestraft werden. Die Banken haben Billionen kassiert, und ihre Topmanager haben mit Steuergeldern ihre unanständig hohen Gehälter und Boni finanziert. Jene, die für die Krise überhaupt nichts können, wurden zweimal beraubt – zum einen ihrer wirtschaftlichen Sicherheit, die der Casino-Crash auf Jahre hinaus zerstört hat; und zum zweiten Mal, weil ihre Steuern und Abgaben ebenso wie die ihrer Kinder und Kindeskinder nicht der Öffentlichkeit zugutekommen, sondern dazu verwendet werden, ein durch und durch verkommenes System zu sanieren.
Susan George, Whose Crisis, Whose Future

Alle Menschen bekennen sich zum Recht auf Revolution; das heißt zu dem Recht, der Regierung die Gefolgschaft zu verweigern und ihr zu widerstehen, wenn ihre Tyrannei oder ihre Untüchtigkeit zu groß und unerträglich wird. Wir sagen gewöhnlich, die Masse der Menschen sei unreif; aber dieser Zustand bessert sich nur deshalb so langsam, weil die wenigen nicht wesentlich besser und klüger sind als die vielen. Es ist nicht so wichtig, dass die große Menge ebenso gut ist wie ihr, sondern dass es überhaupt irgendwo vollkommene Güte gibt; denn schon ein bisschen Hefe wird den Teig aufgehen lassen.

Es gibt ungerechte Gesetze: Sollen wir uns damit bescheiden, ihnen zu gehorchen, oder sollen wir es auf uns nehmen, sie zu bessern, und ihnen nur so lange gehorchen, bis wir das erreicht haben, oder sollen wir sie vielleicht sofort übertreten? Wenn aber das Gesetz so beschaffen ist, dass es dich zwingt, einem anderen Unrecht anzutun, dann, sage ich, brich das Gesetz. Mach dein Leben zu einem Gegengewicht, um die Maschine aufzuhalten.
Henry David Thoreau (1817 – 1862)

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ein Artikel von

Gene Sharp, Susan George, Henry David Thoreau

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