Risikogruppe
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Brennstoff Nr. 58 | Heini Staudinger | 06.02.2024 | 4 Minuten

die 80er, die 90er, die 100er

„Ich hatte einen Vorteil - ich wurde arm geboren.“

Der ewige Spartacus: Kirk Douglas war auch abseits der Leinwand ein Held. Er war das gute Gewissen von Hollywood. Mit 103 Jahren ist er gestorben.

„Mein Name ist Kirk Douglas, Sie werden mich vielleicht kennen. Wenn nicht, googeln Sie. Ich war ein Filmstar, und ich bin der Vater von Michael Douglas und der Schwiegervater von Catherine Zeta-Jones. Heute feiere ich meinen 90. Geburtstag. Ein 90. Geburtstag ist etwas Besonderes. In meinem Fall sogar ein Wunder. Ich habe den Zweiten Weltkrieg überlebt, einen Hubschrauberabsturz überlebt, einen Schlaganfall und eine doppelte Knieoperation. Traditionell wünscht sich ein Geburtstagskind etwas im Stillen. Dieser Tradition bin ich 89 Jahre lang gefolgt, aber heute habe ich mich entschlossen, zu rebellieren. Ich werde einen lauten Wunsch äußern, nicht für mich, sondern für die ganze Welt. Geben wir es zu: Die Welt ist ein Chaos, und ihr werdet sie erben! Ihr erbt tiefe Armut, globale Erwärmung, Völkermorde, Aids und Selbstmordattentäter, um nur einiges zu nennen. Wir haben sehr wenig getan, diese Probleme zu lösen. Ihr müsst sie nun lösen, weil die Situation unhaltbar ist. Ihr müsst rebellieren, eure Stimmen erheben, zum Wählen gehen – und euch um die Menschen und die Welt, in der ihr lebt, kümmern.“

Es fliegt das Gebiss
Kein schlechtes Vorbild

„Aus sich einen gelungenen Menschen zu machen ist eine Arbeit, die erst mit dem letzten Atemzug aufhört. Es ist ein Verbrechen an sich selbst, sich mit siebzig, achtzig Jahren keine großen Veränderungen mehr zuzutrauen. Wieder mein Mantra: Das Bewusstsein bestimmt unsere Wirklichkeit. Ich gebe Ihnen dafür ein Beispiel. Im Internet habe ich jüngst das Video einer Frau angeschaut, die sich zu ihrem hundertsten Geburtstag einen Tandem-Fallschirmsprung gewünscht hat und dabei gefilmt wurde. Nach ein paar Hundert Meter freiem Fall fliegt ihr das Gebiss aus dem Mund – und sie lacht und lacht und lacht. Kein schlechtes Vorbild.“

Gefunden in dem Buch „Das drucken Sie aber nicht!“
Sven Michaelsen im Interview mit André Heller

Meine Mama und die Pendeluhr

Mama "wollte" eigentlich schon 1972 sterben. Damals meinte sie, wenn ich ihr das* antäte (mit "das" meinte sie meine Afrikareise mit dem Moped von Oberösterreich nach Tanzania), dann würde sie sterben. Trotz dieser Ankündigung/Androhung ihres Todes fuhren wir los und sie ist nicht gestorben. Jetzt ist sie gut 91. Sie ist gesund und lustig. Nur eines kann sie ganz und gar nicht leiden, ... wenn die Pendeluhr stehenbleibt. Dann steigt sie auf die Eckbank und weil sie so klein ist, muss sie auch noch auf die schmale Lehne der Eckbank steigen. Mit ihrer Linken hält sie sich - maximal gestreckt - am Fensterkreuz, mit der Rechten richtet sie dann die Uhr. Solche Geschichten erzählt sie mir mit Stolz und ich erwidere dann lächelnd - diees Mal ich mit einer Portion Sorge -, dass wir dann auf s Totenbild schreiben werden "sie starb für ihre Pendeluhr". Mama, ich bin froh, dass du 1972 nicht gestorben bist und bisher auch noch nicht für die Pendeluhr.

So grüße ich dich in Liebe,
Dein Heini

Die Kur - schlimmer als die Krankheit?Betreten verboten

Außenkontakte als Luxus.

Frau D. hat sich in den letzten Jahren intensiv um ihre Mutter gekümmert. Das private Altenheim, in dem die alte Dame untergebracht ist, zählt nicht zu den teuren Adressen. Trotzdem reicht bei 1.800 Euro monatlichen Kosten die Rente nicht, die Tochter zahlt also zu. Und weil das Heim personell unterbesetzt ist, hat Frau D. selbst bei der Pflege geholfen. In den letzten Monaten aber durfte sie das Gebäude nicht mehr betreten. Sechs Wochen lang galt eine totale Kontaktsperre, es gab einen Coronafall im Haus. Die Mutter ist immobil, sie saß allein in ihrem Zimmer. Auch jetzt können sie sich nur durch Plexiglas auf der Terrasse sehen und miteinander sprechen. Das soll nach Mitteilung der Heimleitung mindestens bis zum Ende des Jahres so bleiben. Geschichten wie die von Frau D. sind keine Seltenheit.

Roland Schaeffer, Soziologe, taz, 16. Juni 2020

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