Quo vadis?
Quo vadis?
Brennstoff Nr. 47 | Moreau | 15.02.2024 | 3 Minuten

Quo vadis? Wohin gehst du? Ein Mystiker, der zum Galgen geführt wurde, sah eine große Menschenmenge, die eilig vor ihm her rannte. »Ihr braucht euch nicht so zu beeilen«, sagte er zu ihnen. »Ich kann euch versichern: nichts wird ohne mich geschehen.«

Wohin es mit uns in the long run geht, daran gibt es keinen Zweifel: Wir alle sind unterwegs zum Friedhof. Die Frage ist, wem wir während der Reise zum Rendezvous mit unserem Tod begegnen und wie wir uns auf dem Weg zuein ander verhalten: ob wir einander beachten, wertschätzen, lieben oder hassen; ob wir es uns leicht oder schwer machen, einander helfen oder Steine in den Weg legen; ob Frieden herrschen wird oder Krieg. Wie wir unsere gemeinsame Zeit auf Erden gestalten, darum geht es bei dem, was man gemeinhin »Politik« nennt. Und da, so scheint es, geht derzeit fast alles schief. Die Nachrichten sind voll von Schreckensmeldungen und oft unerbittlichen Streitigkeiten darüber, wie die verschiedenen echten oder eingebildeten Probleme ge löst werden sollten, ob nach Schema X, Y oder Z. Wenn allerdings der Streit darüber eskaliert, ob der eine oder der andere Weg zum Friedhof der bessere sei, so könnte es, wie schon in der Vergangenheit, dazu kommen, dass die überhitzten Gemüter, die gestern noch Nachbarn, vielleicht sogar Freunde waren, ohne recht zu begreifen, wie ihnen geschieht, auf’s Schlacht feld taumeln und ihren Lebens weg erheblich abkürzen, wenn sie sich viel zu jung gegenseitig in die Grube metzeln. Darum fordere ich die Einführung von zwei neuen Schulfächern: Das eine lehrt, jeden Tag eine Zeit lang allein zu sein, Gedanken und Gefühle zu beobachten und in den Himmel zu schauen; das andere den Umgang mit Sterb lich keit und Tod. Denn ohne die Empfindung von Allein sein und tiefer Verbunden heit, ohne Kenntnis des eigenen Inneren, ohne Himmel und Tod und ohne Besinnung auf das Glück, am Leben zu sein, werden Menschen auch in Zukunft religiösen oder politischen Scharlatanen blind ins Verderben folgen.

Ein Leben für den Irrtum

Fascism is capitalism in decay

Der europäische Karren steckt verdammt im Dreck. Wie ich es sehe, sind der Rechtsruck und die nationalistischen Bewegungen aber nur Symptome für eine strukturelle Krankheit, als deren gegenwärtige Sinnbilder Jean-Claude Juncker und Angela Merkel oder noch mehr die mörderische »Troika« stehen mögen – neoliberale Hardliner, die eine Politik nicht für die Bevölkerungen Europas, sondern für Vermögensverwalter, Banken und Konzerne machen. Die Leute spüren ganz richtig, dass sie von dieser neoliberal orientierten, im Prinzip antidemokratischen Politik, die die Ungleichheit verschärft und am laufenden Band soziale Verwerfungen produziert, nicht mehr gemeint sind, vielleicht auch nie gemeint waren, sondern verachtet werden. Der allertödlichste Fehler in der Konstruktion der EU ist wohl, dass der Neoliberalismus, z.B. die unsägliche Wettbewerbsdoktrin, in den Verträgen festgeschrieben wurde, was alternative, natur- und menschenfreundlichere wirtschafts- und sozialpolitische Ansätze praktisch ausschließt. Der Kampf gegen die Rechten findet derzeit auf verlorenem Posten statt, eben weil die Rechten nur Symptome, nicht Ursache der Krise sind. Die personifizierten Krisenverursacher in Amt und Würden, Juncker, Merkel, Schäuble, Schelling und wie sie alle heißen, mimen Abscheu und rümpfen über genau jene rechten Symptome die Nase, für deren Erstarken allerdings sie selbst den Boden bereitet haben und täglich weiter bereiten, dauerhaft unfähig, ihrer eigenen tragischen Rolle beim Niedergang Europas gewahr zu werden, bedeutete dies doch das Eingeständnis, das ganze eigene Leben lang an das Falsche geglaubt zu haben.

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ein Artikel von

Moreau

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