Mit ihren Aktionen sorgen die Mitglieder des Berliner Künstler- und Aktivistenkollektivs »Peng!« international für Aufsehen. Dabei kombinieren sie Kunst und Aktivismus, um breite Aufmerksamkeit auf soziale Missstände zu lenken. Das erste mal für Aufsehen sorgten sie 2013 mit ihrer Aktion »Slam Shell«, bei der sich zwei Mitglieder des Kollektivs in einen Greenwashing-Event des Öl-Multis Shell einschleusten. Seither haben sie Geheimdienstmitarbeiter zum Ausstieg aufgerufen, Menschen zur Fluchthilfe animiert und Waffenherstellern den Kampf angesagt. Gründungsmitglied Jean Peters ist derzeit im Rahmen eines Artist-in-Residence-Programms in Wien.
Du bist seit mittlerweile zwei Monaten in Wien. Wie schätzt du ein, was hier gesellschaftspolitisch passiert?
Jean Peters Ich finde gefährlich, was in Österreich gerade passiert. Vor allem deshalb, weil mir vorkommt, dass neoliberale Reformen im Gewand von Rassismus verkauft werden. Noch dystopischer geht es nicht. Es ist aber logisch. Die Politiker können ja nicht hergehen und sagen: »Lasst uns alles so weit deregulieren, bis ihr als Mehrheit keine Rechte mehr habt, um zum Beispiel eine neoliberale Reformierung des medizinischen Systems durchzusetzen«. Das wird zum einen zu komplex zu erklären sein und zum anderen wollen die Bürger das ja nicht. Wenn man aber sagt: »Lasst uns die ganzen Ausländer rausschmeißen!«, dann wird man gewählt und kann diese Reformen einfach durchsetzen. Auf eine ähnliche Weise macht es ja auch Donald Trump und viele andere. Ich habe das Gefühl, dass das die dritte Welle des Neoliberalismus ist. Erst kam der Neoliberalismus mit Demokratie, dann kam er mit Neoinstitutionalismus, als er gemerkt hat, dass es doch noch einen Staat braucht, dieser aber nur dazu genutzt wird, um Märkte zu befähigen. So um die 2000er kam das auf, stark gepushed von der Weltbank. Und jetzt kommt sozusagen die nächste Phase, wo die VertreterInnen des Neoliberalismus die Demokratie mit Füßen treten und Deregulierung nur noch durchsetzen wollen. In Österreich gibt es ja sogar einen Minister für Deregulierung. Als ich das gesehen habe, dachte ich: »Das gibt’s ja nicht!«
Wundert es dich, dass es kaum wahrnehmbaren Widerstand gibt?
Jean Peters Ich frage mich im Allgemeinen, warum nix passiert. Ist das, weil wir uns nicht an einen Umbruch erinnern können? In Ägypten zum Beispiel ist die Erinnerung an Panzer in den Straßen in den Köpfen aller. In Deutschland war der Fall der Mauer das letzte Event, wo massenhaft Menschen auf der Straße waren. Der Fall von TTIP, so sehr dieser weltpolitisch relevant ist, ist nicht etwas, was einen starken Einschnitt in das Gefühl der Deutschen darstellt. Ich weiß nicht, ob es an dieser schleichenden Prekarisierung liegt. Ob sich die Menschen deshalb selbst die Schuld geben dafür, dass sie keinen Job haben und sich immer mehr verkaufen müssen. Ich kann mir wirklich nicht erklären, wieso so wenig gekämpft wird und wieso sich so wenig Leute mit Inbrunst einsetzen. Es kann natürlich sein, dass sich durch die Erhöhung des Drucks in Zukunft viele Bewegungen zusammenfinden und auf begehren. Es bleibt zumindest zu hoffen.
Was rätst du einem Menschen, der sagt: Ich seh überall Probleme und weiß nicht, wo ich anfangen soll?
Jean Peters Da gibt es viele Möglichkeiten. In erster Linie sollte man sich einen Überblick verschaffen, was es alles gibt. Dann auf Verbände und Vereine zugehen, da gibt es ja massenhaft Angebote von Greenpeace und Co. Oder versuchen, thematisch heranzugehen, zum Beispiel, über ein Studium oder ähnliches. Eine Möglich keit ist natürlich auch, sich mit Freunden zusammenzutun oder alleine von zu Hause aus etwas zu starten. Im Allgemeinen würde ich sagen: »Mach dir eine Liste an Themen, die du für wichtig erachtest, priorisiere, welches du am wichtigsten findest und dann stell es deinen Ideen gegenüber. Schau, wie viel Zeit und Energie du da reinstecken kannst.
Und dann: Mach!«
Das Gespräch führte Manuel Gruber
JEAN PETERS geboren 1984, ist Aktivist, Künstler und Mitgründer von »Peng!«. Er studierte Politikwissenschaften in Berlin, absolvierte einen Master im Bereich soziale Bewegungen und Entwicklungszusammenarbeit in England, sowie im Bereich Public Policy in Berlin. Jean Peters verfasste im März 2018 das Critical Campaigning Manifest.
Peng ! ist ein explosives Gemisch aus Aktivismus, Hacking und Kunst im Kampf gegen die Barbarei unserer Zeit.
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