Worauf es in Wahrheit ankommt
Dichtung und Liebe haben nicht nur die Besonderheit ihrer Zeit außer der Zeit gemeinsam: beide sind zweckfrei. Dienen keinem „Um zu“, sondern sind um ihrer selbst willen da, wie alles, worauf es in Wahrheit ankommt.
Zu sich selber kommen
Schreiben - und demnach auch Lesen - setzt dies Innehalten voraus, das Sich-Befreien vom ´Funktionieren`. Nur im Innehalten, nur wenn die programmierte und programmierende Zeit stillsteht, kann der Mensch zu sich selber kommen, ...
Das Schlimmste ist der Verlust des Selbst.
Wenn wir betrachten, was an unserer Wirklichkeit das Schlimmste ist, so ist es der Verlust des Selbst. Die Art, wie wir ausgelöscht werden oder doch in Gefahr sind, ausgelöscht zu werden. Ich rede hier, ausnahmsweise, nicht vom Weltende, nicht von der atomaren Apokalypse, denkbar undenkbar, wie sie für uns Heutige ist. Ich rede von einer subtileren, nicht bevorstehenden, sondern gegenwärtigen Gefahr: der `Verdinglichung`, die man zwar fürchtet, die aber doch keiner auf sich bezieht. Als sei sie ein Schnupfen, den andere bekommen und gegen den man selbst immun ist. Es ist ja nicht einfach, an sich selbst zu prüfen, wie programmiert man schon ist, wie entpersönlicht. Das kränkt das Selbstgefühl.
Aktive Wachsamkeit
statt passive Hoffnungslosigkeit
Vorläufig halte ich diese Programmierung, die Verwandlung des Menschen in den Apparat, für ein größeres Hemmis, ein bewusstes Leben zu leben, als die Furcht vor der ökologischen und der atomaren Apokalypse, für die wir aber gerade auch programmiert werden: hinein in die passive Hoffnungslosigkeit statt in aktive Wachsamkeit, wie diese Erde noch zu retten sei, wie die Katastrophe aufhaltbar wäre.
Hinhören
auf die stimmlose Stimme des Herzens
heißt, - sich selbst nicht belügen. ***
Diese Stimme aber hört man nicht, außer im Innehalten, in der AKTIVEN PAUSE, denn es ist eine aktive Pause, keine leere, in der der Mensch, sobald er wirklich er selbst ist, zugleich aber auch am selbstvergessensten ist.
Wollen und Funktionieren haben aufgehört.
Ein Augenblick der Katharsis, der Reinigung, der aber kein Augenblick des Handelns ist. Sondern nur eine Festigung des Menschen, der dann der Wirklichkeit anders gegenübertreten wird.
*** (ich zitiere Ihnen hier Konfuzius)
Hinhören
Um seine Erfahrung zu formulieren, dazu braucht der Schreibende Mut.
Der Mut, den es braucht, ist dreierlei Mut:
***Der Mut zum Sagen, der der Mut ist, er selbst zu sein, der Mut zur eigenen Identität.
*** Der Mut zum Benennen, der der Mut ist, die Erfahrung wahrhaftig zu benennen, ihr Zeuge zu sein: das heißt, nichts weg- oder umzulügen, was ja opportun sein könnte.
*** Der dritte Mut ist der, an die Anrufbarkeit der anderen zu glauben. Denn wenn er auch nicht für andere im strikten Sinn schreibt, überhaupt nicht um zu, so müsste er doch verstummen, wäre nicht in ihm der Glaube an den Menschen, ohne den kein Wort geschrieben werden könnte. Noch im negativsten Gedicht ist dieser Glaube, dass das Wort ein DU erreicht. Dichtung setzt Kommunikation voraus, die sie stiftet.
Die Mindest-Utopie
Nicht im Stich zu lassen.
Sich nicht und andere nicht.
Und nicht im Stich gelassen zu werden.
Das ist die Mindest-Utopie, ohne die es sich nicht lohnt, Mensch zu sein.