ist nur ein Rechenapparat, - unfähig zur Erfahrung.
Byung-Chul Han, 1959 in Südkorea geboren und dort aufgewachsen, lebt und arbeitet heute in Berlin. Er, der gebürtige Südkoreaner, ist der meistgelesene Deutsch schreibende Philosoph. Einige Häppchen aus dem Buch „Palliativgesellschaft“, wo er gleich auf der ersten Seite sagt: „Unser Verhältnis zum Schmerz verrät, in welcher Gesellschaft wir leben“. ... denn ...
Der Schmerz verwandelt den Geist. Verwandlungen sind mit Schmerz verbunden. Ohne Schmerz bleibt der Geist sich gleich.
Ohne Schmerz ist jene Erkenntnis nicht möglich, die mit dem Gewesenen radikal bricht. Auch die Erfahrung im emphatischen Sinne setzt die Negativität des Schmerzes voraus. Sie ist ein schmerzhafter Prozess der Verwandlung. Sie enthält ein Moment des Erleidens oder des Durchmachens. Darin unterscheidet sie sich vom Erlebnis, das zu keinem Zustandswechsel führt. Es vergnügt, statt zu verwandeln. Nur Schmerz bewirkt eine radikale Veränderung. In der Palliativgesellschaft setzt sich das Gleiche fort.
Wir fahren überall hin, ohne eine Erfahrung zu ma chen. Wir nehmen Kenntnis von allem, ohne zur Erkenntnis zu gelangen. Informationen führen weder zur Erfahrung noch zur Erkenntnis. Ihnen fehlt die Negativität der Verwandlung. Die Negativität des Schmerzes ist konstitutiv für das Denken.
Es ist der Schmerz, der das Denken vom Rechnen, von der Künstlichen Intelligenz unterscheidet. Intelligenz heißt wählen zwischen (inter-legere). Sie ist ein Unterscheidungsvermögen. So verlässt sie das bereits Vorhandene nicht. Sie vermag das ganz Andere nicht hervorzubringen. Darin unterscheidet sie sich vom Geist. Der Schmerz vertieft das Denken. Ein tiefes Rechnen gibt es nicht. Worin besteht die Tiefe des Denkens? Im Gegensatz zum Rechnen bringt das Denken eine ganz andere Sicht auf die Welt, ja eine andere Welt hervor.
Nur das Lebendige, das schmerzfähige Leben ver mag zu denken. Der Künstlichen Intelligenz fehlt ge rade dieses Leben: »Wir sind keine denkenden Frösche, keine Objektivier- und Registrier-Apparate mit kalt gestellten Eingeweiden …
Eine künstliche Intelligenz ist nur ein Rechenapparat. Sie ist wohl lernfähig, auch fähig zum Deep Learning, aber sie ist unfähig zur Erfahrung. Erst der Schmerz verwandelt die Intelligenz in den Geist. Es wird keine Algorithmen des Schmerzes geben.
Im Gegensatz zum Schmerz ist die Gesundheit undiaIektisch. Die Palliativgesellschaft, die sie zum höchsten Wert erklärt, ist in einer Hölle des Gleichen gefangen. Ihr fehlt die dialektische Kraft der Verwandlung.
Der Schmerz erschüttert gewohnte Sinnbezüge und zwingt den Geist zu einem radikalen Perspektivenwechsel, der alles in einem neuen Licht erscheinen lässt. Im Gegensatz zur Lust setzt der Schmerz Reflexionsprozesse in Gang. Er verschafft dem Geist eine »dialektische Klarheit par excellence«. Er macht den Geist sehender.