Homo sapiens – „Omo 1“
Homo sapiens – „Omo 1“
Brennstoff Nr. 61 | Bernhard Ungericht | 30.01.2024 | 4 Minuten

Vor 230.000 Jahren ging’s los. In Afrika.

„Wirtschaftskriminelle aus aller Welt können sich in der Schweiz hinter anonymen Briefkastenfirmen verstecken. Leidtragend sind die Menschen des Globalen Südens, denen als Folge von Korruption und Geldwäscherei unglaublich viel Geld fehlt. 3600 Milliarden US-Dollar verliert der ehrliche Teil der Weltbevölkerung jedes Jahr dadurch.“ Public Eye

Public Eye beobachtet das Weltgeschehen aus einem anderen Blickwinkel. Sie richten ihr Auge (eye) auf’s Gemeinwohl der Menschheitsfamilie und eben nicht auf das Wohlergehen der Schweiz, bzw. des Globalen Nordens. newsletter@publiceye.ch

Kurt Marti (1921-2017), Denker und Dichter, und auch evangelischer Pfarrer. Er engagierte sich im Kampf gegen Atomwaffen, Atomkraftwerke, die US-Intervention in Vietnam und war Mitbegründer der entwicklungspolitischen Organisation „Erklärung von Bern“ (jetzt: Public Eye). Er war befreundet mit Dorothee Sölle und Friedrich Dürrenmatt war im Gymnasium sein Klassenkamerad. Sein Lebtag war er ein aufrechter Kämpfer für Gerechtigkeit.

Congo Hold-Up
Es ist das grösste Datenleck des afrikanischen Kontinents: Die „Congo Hold-Up“-Recherchen zeigen auf, wie die kongolesische Tochtergesellschaft der BGFI-Bank dazu diente, öffentliche Gelder zu veruntreuen und den Rohstoffreichtum der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zu plündern. Und das mittels Komplizenschaft internationaler Geschäftsnetzwerke und dank der Passivität vieler Banken, darunter mehrere Institute in der Schweiz. In den nächsten Wochen folgen weitere Teile von „Congo Hold-Up“, welche das Resultat von 6 Monaten Recherche und einer beispiellosen Allianz zwischen Medien und NGOs ist.

Beschränkte Haftung ab dem 17. Jahrhundert
Der Außenhandel bot spektakuläre Renditenmöglichkeiten. In ganz Europa konnte man ab dem 17. Jahrhundert Anteile an Kolonialschiffen und Kolonialunternehmen erwerben. (z. B. Die Niederländische Ostindien Kompanie tötete und plünderte auf Teufel komm raus. Sie beherrschte Indonesien im Interesse ihrer Anleger. In diessem Geschäftsmodell war die Grenze zwischen Unternehmensführung und Kriegsführung fließend.) Die Fähigkeit – auf Basis des Versprechens astronomischer Renditen –, Kapital zu bündeln, war der Grund für den rasanten Aufstieg der Kapitalgesellschaften. Ein ganz anderes Merkmal, das bald hinzukommen sollte, machte sie besonders attraktiv: das Privileg der beschränkten Haftung. Die „beschränkte Haftung“ war vermutlich eine der folgenreichsten institutionellen Innovationen der Wirtschaftsgeschichte.

m.b.H. – moralische Entlastung des Einzelnen
Kapitalgesellschaften und Börsen sorgen bis heute für die moralische Entlastung der einzelnen menschlichen Akteure. Die Anteilseigner hatten nun nicht mehr mit ihrem Privatvermögen, sondern nur bis zur Höhe ihrer Einlage. Und die Anteilseigner waren darüber hinaus auch strafrechtlich nicht haftbar für die Verbrechen, welche die Company beging.

Die Beschränkte Haftung ist eine Lizenz, um Kosten zu externalisieren. Aus dem Gespräch von agora42 mit Katharina Pistor.

agora42: Wie kann man in der Beziehung zwischen globalem Norden und globalem Süden Letzteren stärken?

K. Pistor: Der globale Norden wird so lange wie möglich seine Machtposition verteidigen. Er hat ja auch die Entkolonialisierung sabotiert., indem die mächtigen Staaten die rechtliche Gestaltung genutzt haben, um bilaterale Handels- und Investitionsabkommen im Interesse ihrer eigenen Unternehmen zu gestalten. Jedoch gibt es kleine Gegenbewegungen, die es zu unterstützen gilt, wie zum Beispiel die Shell-Entscheidung* des holländischen Appelationsgerichts in Den Haag Anfang des Jahres. Hier wurden sowohl die Muttergesellschaft als auch die nigerianische Tochter von einigen Fischerleuten aus Nigeria auf Schadenersatz verklagt: Sie haben zwar nicht auf ganzer Linie Recht bekommen, aber das Gericht entschied, dass die Muttergesellschaft eine Verantwortung und eine Haftung für ihre Tochtergesellschaft tragen muss. Dies stellt eine Aufweichung der „beschränkten Haftung“ dar. Auch wenn es 13 Jahre gedauert hat und der Rechtskampf sehr teuer war (er wurde von einer NGO getragen), braucht es genau diese Signale.

Die Umweltschäden, die angerichtet werden, müssen den eigentlichen Verursachenden zugerechnet werden, also wie in diesem Fall der niederländischen Muttergesellschaft und auch ihren Aktionär*innen. Ansonsten werden die Unternehmen und Staaten weiterhin ihre Verantwortung mit dieser Argumentation von sich weisen. Das Beispiel zeigt, dass man mithilfe der Rechtssysteme des globalen Nordens die Unternehmen zwingen könnte, für die verursachten Schäden zu haften.

Das Kongo Tribunal
Da es im Kongo kein funktionierendes Rechtssystem gab/gibt, hat der Schweizer Regisseur Milo Rau das Kongo Tribunal – im Kongo – als Theater aufgezogen und von diesem Tribunal einen Dokumentarfilm geschaffen. Jetzt schaut die Weltöffentlichkeit endlich hin. Der Film zeigt die Wirklichkeit. Die Zeugen sind wirkliche Zeugen von wirklichen Massakern. Der Richter, der Staatsanwalt, die Verteidiger und die betroffene Bevölkerung verhandelten die Mördereien, wie ein ordentliches Gericht es sollte. Das Tribunal war quasi „nur“ eine Theateraufführung. Allerdings eine mit großer Wirkung. Unmittelbar nach dem Tribunal mussten zwei Minister im Kongo zurücktreten und in der Schweiz gelang es, dass die Bundesanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen Glencore einleitete.

Die Kolwezi Hearings
sind die Fortsetzung vom Kongo Tribunal. Ein Weltwirtschaftsgericht der Zivilgesellschaft klagt dort Glencore an: grobe Menschenrechtsverletzungen, gigantische Umweltverschmutzungen, unfassbare Korruption... mehr dazu kommt auf www.brennstoff.com

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ein Artikel von

Bernhard Ungericht

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