Die Meister in unseren Handwerksbetrieben erschrecken oft, wenn sie sehen, wie brutal die Schüler und Schülerinnen etwa mit einer Türe oder einem Stuhl umgehen. Da ist überhaupt kein Gespür mehr für die Dinge. Hart mit den Dingen umzugehen, schlägt auf die betreffende Person zurück. Es ist ein Zeichen, dass sie keine Beziehung zu den Dingen hat. Gut und achtsam mit den Dingen umzugehen tut mir selbst gut. Da kann ich ganz in der Berührung sein, da kann ich eins werden mit dem Handwerkszeug, da kann ich die Tasse wahrnehmen in ihrer Schönheit, mit dem Material, aus dem sie geformt ist. Wer achtsam mit den Dingen umgeht, wird auch behutsamer mit sich selbst umgehen. Der Umgang mit den Dingen ist normalerweise ein Test für die innere Haltung eines Menschen. Da drückt sich seine Seele aus. Umgekehrt können wir aber auch durch den behutsamen Umgang mit den Dingen eine innere Achtsamkeit lernen. Es ist ein weites Übungsfeld. Benedikt hat dem Cellerar diese Aufgabe gestellt, durch die Achtsamkeit mit den Dingen innerlich achtsamer und feinfühliger zu werden: »Alle Geräte des Klosters und den ganzen Besitz betrachte er wie heilige Altargefäße. Nichts möge er vernachlässigen.« (RB 31,10f ) Er soll die Welt als Schöpfung Gottes sehen. Sie hat eine innere Verwandtschaft zu ihm selbst. Wie er mit den Dingen umgeht, so geht er mit sich selbst um. Wenn er die Welt als Freund betrachtet und freundlich mit ihr umgeht, wird sie auch freundlich mit ihm sein. Sie wird ein Teil von ihm. Eine innere Einheit entsteht, Freude aneinander. Der gute Umgang mit der Schöpfung ist heute nicht nur die Aufgabe des Einzelnen. Die Gesellschaft muss als ganze die Schöpfung behutsam behandeln, wenn sie gut leben will. Wohn silos aus Beton steigern die gegenseitige Aggressivität. Wie die Menschen mit der Natur umgehen, so werden sie auch einander begeg nen.
In unserer Abtei essen wir schweigend. Da wir etwa 100 Mönche sind, tragen vier Tischdiener auf und ab. Manche Tischdiener sammeln die Tassen nach dem Essen mit einer solchen Brutalität ein, dass man erschrickt. Man kann das für belanglos halten. Aber die Brutalität, die im Umgang mit den Tassen sichtbar wird, pflanzt sich fort. Man wird dann genauso brutal mit den Gefühlen des Mitbruders umgehen oder mit seinen eigenen Gefühlen. Man wird nicht auf sich achten. Das alles ist ja nicht so wichtig. Hauptsache, die Arbeit klappt. Da wäre es gut, den achtsamen Umgang mit den Dingen zu lernen, um achtsamer sich selbst gegenüber sein zu können. Je besser ich mit meinem Zimmer, mit meinen Kleidern, mit meinem Handwerkszeug umgehe, desto besser wird es mir selbst dabei gehen. Aber wenn ich keinen Blick mehr für die einfachen Dinge habe, wird sich bald auch der Blick für die feinen Regungen des Herzens verdunkeln.
Anselm Grün, Gut mit sich selbst umgehen. Patmos Verlag