Gemeinsam sind wir stärker
Gemeinsam sind wir stärker
Brennstoff Nr. 64 | Susanne Wolf | 18.01.2024 | 4 Minuten

Eine Welt, in der Andersdenkende diskriminiert werden?

„Früher galt ich als Linke, heute bin ich plötzlich rechts.“ Dieses Zitat stammt von der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot, und sie sagt es mit einem gewissen Galgenhumor. Denn Guerot wurde für ihr kritisches Auftreten während der Corona-Pandemie angefeindet, sie verlor alte Freunde, ihre Reputation und schließlich ihre Stelle an der Universität Bonn. Vor allem ihr Buch „Wer schweigt, stimmt zu“ wurde heftig kritisiert. Vieles, was sie darin thematisierte, gilt heute als bestätigt. „Wenn man das Argument nicht entkräften kann, muss man die Person angreifen“, lautet Guerots Kommentar dazu. So wie Ulrike Guerot ging es in den vergangenen drei Jahren vielen anderen, die ihre Stimme erhoben. Nicht alle konnten damit so gut umgehen wie die streitbare Professorin, die sich nach eineinhalb Jahren Shitstorms und Anfeindungen eine Auszeit nahm, weil sie, wie sie heute sagt, nicht mehr konnte.

Journalismus in der Kritik

Im Jänner 2022 – es war der sogenannte „Lockdown für Ungeimpfte“ – traf sich eine Gruppe von Journalistinnen und Medienvertretern im Hinterzimmer eines Wiener Cafés. Sie wollten und konnten nicht länger mitansehen, wie die Medien ihre Aufgabe der vierten Gewalt im Staat vernachlässigten. In der Gruppe befanden sich einige, die Angst davor hatten, öffentlich Kritik zu üben. In den Redaktionen wurde großer Druck ausgeübt, regierungskonform zu berichten, viele hatten zensurähnliche Beschränkungen erlebt. Einige Journalisten wollten aufgrund des stattfindenden Unrechts nicht den Mund halten und taten das, was Journalisten normalerweise tun: kritisch hinterfragen. Manche begannen, für „alternative“ Medien zu schreiben – und wurden prompt in die „rechte“ Ecke gestellt. Aus den regelmäßigen Treffen ging schließlich ein journalistisches Manifest hervor, das in Form einer Petition veröffentlicht wurde (siehe unten).

Die Grenzen verschwimmen

Die Liste der Beispiele, in denen die Bezeichnung „rechts“ als Totschlagargument dient(e), ist lang: Demonstrationen, in denen hunderttausende Menschen für Grundrechte auf die Straße gingen und mit einigen wenigen Rechtsradikalen in einen Topf geworfen wurden. Kritische Stimmen, bei denen man um viele Ecken Kontakte zu (angeblichen) Rechtsextremen suchte, um sie diskreditieren zu können. Neu gegründete Medien, die dem Einheitsbrei der Mainstreammedien etwas entgegensetzen möchten. Der Begriff „rechts“ wird im politischen Spektrum gleichgesetzt mit konservativ, ausländerfeindlich, Nazisympathisanten. Wer will das schon sein? „Links“ stand dagegen lange Zeit für sozial, umweltbewusst, fortschrittlich. Für viele stand fest: links ist gut, rechts böse. Tatsächlich sind die Grenzen zwischen den beiden Polen in den vergangenen Jahren verschwommen. Denn auf den Corona-Demos gingen eben nicht nur Rechtsextreme auf die Straße, sondern viele besorgte Bürger und Bürgerinnen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Zahlreiche ehemalige Linke wandten sich während jener Zeit enttäuscht von ihren Parteien ab, von denen sie sich nicht mehr vertreten fühlten.

Meinungsvielfalt

Die Frage, die wir uns stellen können, lautet: Wollen wir in einer Welt leben, in der Andersdenkende diskriminiert werden? Vielleicht geht es letztendlich darum, anzuerkennen, dass wir nur gemeinsam Veränderungen bewirken können. Vielleicht geht es nicht mehr darum, links oder rechts zu sein, sonder vielmehr darum, anzuerkennen, dass es eine Vielfalt an Meinungen und Lebensmodellen gibt. Setzen wir uns für unsere Werte ein, statt über andere zu urteilen. Hinterfragen wir kritisch, statt in einer Blase zu leben. Leben wir die Toleranz und Empathie, die wir uns von anderen wünschen. Um es mit den Worten Ulrike Guerots zu sagen: „Ich hoffe, dass die Gesellschaft wieder zusammenfindet und sich fragt: Was haben wir einander da angetan?“

Aus der Petition „Für eine Erneuerung des Journalismus in Österreich“, change.org

„Stattdessen verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widersprechen. Stimmen, die einen als gegeben angenommenen gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden entweder bewusst ignoriert oder lächerlich gemacht oder diffamiert. Überdies müssen Andersdenkende damit rechnen, automatisch als dem „Rechtsextremismus“ nahestehend bezeichnet zu werden. Dies ist nicht nur unredlich, sondern auch gefährlich, weil der inflationäre Gebrauch solcher Zuschreibungen dazu führt, dass tatsächliche Radikalismen nicht mehr einwandfrei identifiziert werden können.“

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