Ein Plädoyer der Verbundenheit
Ein Plädoyer der Verbundenheit
Brennstoff Nr. 48 | Gerald Hüther, Christa Spannbauer | 13.02.2024 | 3 Minuten

Wir haben weltweite Aufgaben zu lösen, die das Zusammenwirken aller Beteiligten dringend erforderlich machen. Die vielen jungen Men schen der Gegen wart, die ganz selbstverständlich »wir« sagen, die sich gegenseitig unterstützen und für den Erhalt der Umwelt, für soziale Gerechtigkeit und die Vielfalt kultureller Lebensformen eintreten, leben uns dies bereits vor. Sie sind die Potentialentfalter der Zukunft. Sie sind die Wegbereiter hin zu einer Weltgesellschaft, in der wir uns zu nehmend mit allen anderen Menschen verbunden wissen. Allerorten ist ein Erstarken eines neuen bürgerschaftlichen Engagements und die Ent wicklung und Stärkung einer Zivilgesellschaft zu verzeichnen, in der von en gagierten Menschen entscheidende Veränderungsimpulse gegeben, neue Hand lungsspielräume eröffnet und nachhaltige Zukunftsmodelle entwickelt werden.

Bürgerschaftliches Engagement tut sich in den vielen Bürgerinitiativen, den welt weiten politischen Protestbewegungen und ihrem un über hörbaren Ruf nach Demokratisierung und gerechter Verteilung der Ressourcen ebenso kund wie in dem freiwilligen und nicht von materiellen Interessen bestimmten Einsatz vieler Menschen für das soziale Gemeinwohl. Menschen mischen sich ein und zeigen sich immer weniger dazu bereit, unhaltbare und ungerechte Zustände hinzunehmen.

Anders als unser derzeitiges Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das den Eigennutz des ökonomischen Menschen ins Zentrum rückt, hat diese neue weltweite Bewegung den empathischen Menschen zum Leit bild, der das Gemeinwohl aller im Auge behält.

Der Physiker Fritjof Capra spricht in diesem Zu sammen hang von einem globalen Immunsystem, das zum Schutz der Erde aktiv wird, einer kollektiven und geradezu instinktiven Ant wort der Mensch heit auf die akute Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen. Dieses Immunsys tem besteht aus zahllosen Menschen und Gruppierun gen, die an allen Orten der Welt unermüdlich damit beschäftigt sind, die schädlichen Ein flüsse, die das Leben bedrohen, zu neutralisieren und zu regenerieren. (…) Wir haben viel bewegt und viel zerstört. Nun ist es an der Zeit, zu bewahren und nachhaltig zu gestalten. Dem menschlichen Vernichtungswillen scheint eine ältere Einsichtsfähigkeit und Weisheit entgegenzuwirken, die uns in einer Art und Weise mit allen Lebewesen auf diesem Planeten verbindet, die bislang unvorstellbarschien. Darin liegt das Versprechen der weltweiten ökologischen, sozialen und gesellschaftspolitischen Bewegungen: als gemeinsame Bewohner dieser Erde zu entdecken, dass wir eine globale Familie sind. ( … )

Das bedeutet, die Grenzen des Wachstums zu akzeptieren und Abschied vom Machbarkeitswahn zu nehmen. Von Ressourcenausnutzern zu Potentialentfaltern zu werden, uns nicht mehr länger getrennt von der Welt, von den Tieren, Pflanzen und der Natur wahrzunehmen (...). Nur so können wir die Kraft unserer Gefühle aktivieren und nutzen, uns öffnen für wahres Mitgefühl und unsere Furcht vor dem Leid der Welt verlieren. Dann können wir etwas bewirken und bewegen.

Denn die erste Frage des Mitgefühls lautet: »Was wird ge braucht?« Die Antwort darauf kann nur darin bestehen, anzupacken und es zu tun. Wenn wir erfahren und spüren können, dass wir selbst Teil des lebendigen Organismus der Erde sind, weder über noch jenseits von ihr stehen, sondern zutiefst in ihr beheimatet und in ihren Kreislauf eingebunden sind, dann läutet dies das Ende unserer an thropozentrischen Herrschafts- und Allmachtsphantasien ein. Wir erleben uns nicht mehr länger als Bezwinger, sondern als Partner der Erde. Und als solche kann es uns gelingen, unsere Entdeckerfreude, Begeisterungsfähig keit und Gestaltungslust in lebensbejahende Bahnen zu lenken und nachhaltige Projekte zu fördern, die das Leben bewahren, so dass wir die Welt heil an unsere Kinder und Enkelkin der übergeben können.
Gerald Hüther/Christa Spannbauer (Hg). Connectedness.Warum wir ein neues Weltbild brauchen. Huber 2012

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Gerald Hüther, Christa Spannbauer

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