FELWINE SARR
Der senegalesische Sozialwissenschaftler, Autor und Musiker will das übliche Afrika Bild „Dunkler Kontinent“, „Elendsgebiet“ oder „Rohstofflager der Welt“ transformieren. Dieses Bild steckt nicht nur in den Köpfen der Weißen, es behindert auch die Entwicklungsperspektiven Afrikas. Zurecht kritisiert er die europäische Denke, die nicht nur in Afrika Unheil gebracht hat; nein, denn dieses technozentrierte Denken treibt den ganzen Erdball an den Rand des Abgrunds. Sarr meint, es sei an der Zeit zum ursprünglichen Sinn des Menschseins zurückzufinden. Dabei können afrikanische Werte hilfreich sein.
KULTUR UND DAS MENSCHLICHE ABENTEUER
Afrika muss auch die Rolle seiner Kultur neu überdenken. Kultur als Suche nach Zwecken, nach Zielen und Gründen, überhaupt zu leben, als Verfahren, um dem menschlichen Abenteuer einen Sinn zu verleihen. Um Kultur in diesem Sinn zu verwirklichen, bedarf es einer radikalen Kritik all dessen, was in den heutigen afrikanischen Kulturen die Menschheit und die Menschlichkeit eindämmt, behindert, begrenzt oder herabsetzt. Zugleich müssen aber bestimmte afrikanische Werte rehabilitiert werden:
WÜRDE GASTFREUNDSCHAFT
Würde, Gemeinschaftlichkeit, Gastfreundschaft, Bescheidenheit. Es gilt, den tiefgreifenden Humanismus der afrikanischen Kulturen zutage zu fördern und zu erneuern. Die Revolution, die es auf den Weg zu bringen gilt, ist eine spirituelle. Und es scheint uns, dass die Zukunft der Menschheit von ihr abhängig ist. Am Tag der Revolution wird Afrika, wie zur Zeit der ersten Morgenanbrüche, wieder das spirituelle Zentrum der Welt sein.
DIE MORGENRÖTE
Es beginnt ein neuer Tag, wie jeden Morgen, für das Leben der Menschen und die Entwicklung der Gesellschaften. Ein noch schwaches Licht gewinnt an Stärke und erhellt die Pfade der Wanderer im Morgenrot. Während des Tages wird dieses Licht wie tausend Feuer auf ihre Vorhaben und die Schwierigkeiten scheinen, die diese mit sich bringen. Eine Zeit des Durchbruchs. Jene, die in ihr ans Werk gehen, benötigen nur einen schwachen Schein, um ihre Reise anzutreten; es sind die Menschen der Zwischenzeit. Sie wissen, dass ihr Weg notwendig ist, und die Steine, die sie formen, grundlegend sind für die Stabilität für die kommenden Bauten, deren Fertigstellung sie wohl nicht erleben werden. Sie wissen auch, dass sie von nun an auf der Höhe der Forderungen zu sein haben, die jene Welt, die sie zu schaffen hoffen, an sie stellt. Eine dieser Forderungen, ist die, das Unmögliche vom Außerordentlichen zu unterscheiden, um Letzteres zu verwirklichen. Das war es, was Mandela in einem geknechteten Südafrika erreicht hat, gestützt auf einen philosophischen und ethischen Kodex, der aus der Xhosa-Kultur hervorgegangen war, dem Ubuntu-Kodex. An einem eben solchen ungewissen Moment, der mit vielfachen Potentialen schwanger geht, befindet sich heute der afrikanische Kontinent.
DEN WEG SELBER WÄHLEN
Afrika muss gegenüber niemandem aufholen. Es hat nicht mehr auf jenen Pfaden zu laufen, die man ihm zuweist, sondern sollte zügig den Weg gehen, den es selbst gewählt hat. Sein Status als Erstgeborener der Menschheit verlangt von ihm, dass es sich aus der Konkurrenz zurückzieht, aus dem Wettstreit jenes Kindesalters, in dem die Nationen sich verächtlich anschauen, um zu ermessen, wer am meisten Wohlstand angehäuft hat, am meisten technische Gadgets, die stärksten Gefühle und die ausgeprägteste Fähigkeit, die Güter und Freuden dieser Welt zu genießen, und sei es, dass dieses zügel- und verantwortungslose Vorgehen die gesellschaftlichen und ökologischen Voraussetzungen menschlichen Lebens aufs Spiel setzt.
AFROTOPIA
Dieses Buch ist ein Muss für alle, die mehr von Afrika wissen wollen als das Dauergejammere der Mainstream-Medien. Es ist gescheit. Es ist klug. Es ist voll mit spannenden, originellen Gedanken, und wenn man sich von diesen anstecken lässt, steht man überrascht und etwas fröhlicher vom Lesestuhl auf. Wirklich.