Lisa Bolyos und Alexander Behr im Gespräch mit dem Aufdecker Ashwien Sankholkar
In seinem Bestseller »Der geplünderte Staat und seine Profiteure« (Residenz Verlag) beschreibt Ashwien Sankholkar unerschrocken und unverblümt Österreichs größte Polit- und Wirtschaftsskandale. Als Aufdecker der BUWOG-Affäre rund um Karl-Heinz Grasser wurde Sankholkar mit dem Alfred-Worm-Preis für investigativen Journalismus ausgezeichnet und auf Grassers Wunsch am ersten Gerichtstag vom BUWOG-Prozess ausgeschlossen. Im Interview mit Lisa Bolyos und Alexander Behr spricht Sankholkar über sein Buch, über seine Arbeit als Investigativjournalist und über die Kunst, Bankbilanzen zu lesen.
Das Magazin »Biber« hat dich den »Undercover-Babo« genannt. Wie kommst du zu diesem Titel?
Ashwien Sankholkar Für mich ist das eine Respektsbekundung. »Babo« bedeutet soviel wie Oberboss. Und »undercover« bezieht sich wohl auf meine Arbeit als Investigativjournalist, bei der ich oft in die Unterwelt der österreichischen Wirtschaftskriminalität abtauche.
Kannst Du uns einen kurzen Abriss deiner journalistischen Karriere geben?
Ashwien Sankholkar Beim Nachrichtenmagazin FORMAT ging es los. Das war im Oktober 2000. Seither arbeite ich ohne Unterbrechung bei der Verlagsgruppe NEWS GmbH. Davor habe ich Internationale Betriebswirtschaft in Wien und London studiert – mit den Schwerpunkten Corporate Finance und Investmentbanking. Bankbilanzen und Offshore-Konstruktionen waren schon immer meine Welt. Durch eine Fügung des Schicksals rutschte ich in den Journalismus rein und spezialisierte mich schließlich auf White-Collar-Crime, also Wirtschaftskriminalität. Über die Jahre habe ich einige brisante Themen im Spannungsfeld Politik und Wirtschaft beackert: Die Malversationen in der einstigen Gewerkschaftsbank Bawag gehören ebenso dazu wie Anlegerskandale rund um die Meinl Bank oder die Immofinanz-Gruppe. Auch über Korruption im Polizei- und Justizapparat sowie im Wiener Rathaus habe ich viel geschrieben.
Was war die Motivation für dein Buch?
Ashwien Sankholkar Das Buch soll aufdecken und aufwecken. Außerdem war es mir wichtig, Ordnung ins Chaos der täglichen Nachrichtenflut zu bringen. Buwog, Eurofighter, Telekom. Was ist da eigentlich passiert? Das wissen die wenigsten. Korruption und Misswirtschaft: Wo fand die statt und wer hat wirklich profitiert? Viele haben den Überblick verloren. Das Buch liefert Antworten, schnörkellos und in einer einfachen Sprache. Die Lektüre soll keine Qual sein. Ehrliches Grundinteresse ist Voraussetzung, aber man braucht keinen Akademikertitel.
Welches know-how braucht man, wenn man zu bestimmten Daten kommt und diese dann interpretieren muss?
Ashwien Sankholkar Expertenwissen schadet nicht. Im Studium habe ich gelernt, Bankbilanzen zu lesen. Dass ich beim FORMAT auf Banken spezialisiert war, ist also kein Zufall. Wenn man Expertenwissen hat, dann findet man auch die Story schneller. Man weiß auch, welche Spezialisten man fragen muss, um ergänzende Details zu recherchieren.
Nehmen wir zum Beispiel die Kommunalkredit: Das war eine große, auf öffentliche Finanzierungen spezialisierte Bank, die jahrelang als biederer Gemeindefinanzierer aufgetreten ist und in der Finanzkrise 2008 notverstaatlicht werden musste. Ich habe diese und andere Skandalbanken in »Der geplünderte Staat und seine Profiteure« beschrieben. Um draufzukommen, was dort schiefgegangen ist, habe ich zuerst die Bilanzen durchforstet. Beim Bilanzlesen bin ich über den Vermerk »Eventualverbindlichkeiten« gestolpert. Tatsäch lich habe ich dann eine auffällige Bilanzposition entdeckt, die auf Seite hundert-irgendwas versteckt war, sozusagen im Kleingedruckten. Damit gelang es mir nicht nur als erstem, das gigantische Risiko der Kommunalkredit zu quantifizieren, sondern auch deren fragwürdige Geschäfte zu enthüllen: Hochriskante Milliardenspekulationen mit Ramschpapieren – und das auch noch auf Zypern, einer Steueroase. Wie Finanzmarktaufsicht und Nationalbank mit ihren riesigen Kontrollapparaten das übersehen konnten, ist mir schleierhaft. Noch heute werden die Kleinen von der FMA sekkiert, aber die Großen mit Samthandschuhen angefasst. Es herrscht ein System der strukturierten Verantwortungslosigkeit.
Das alles ist dir beim Durchblättern der Bankbilanz aufgefallen?
Ashwien Sankholkar Es ist manchmal unglaublich, was in Bilanzen alles zu finden ist. Nehmen wir etwa die Österreichische Volksbanken AG , ein Fall, den ich auch im Buch beschreibe. Die ÖVAG war jahrzehntelang das Spitzeninstitut des Volksbanken-Sektors.
Waghalsige Übernahmen und riskante Auslandsgeschäfte trieben sie in den Ruin. Ab 2008 musste sie in Etappen von der Republik aufgefangen werden. Die ÖVAG war so marode, dass sie nicht einmal die Zinsen für 1,35 Milliarden Euro Staatsgeld zahlen konnte. Offiziell schrieb die Bank Verluste, war arm wie eine Kirchenmaus. Der Skandal war, dass die erfolglosen ÖVAG-Topmanager trotzdem fürstlich behandelt wurden. Deren Anwartschaften auf Pensionen, Abfertigun gen und Jubiläumsgelder wurde in Krisenzeit nicht reduziert, sondern zwischen 2008 und 2013 von 258 auf 333 Millionen Euro hinaufgeschraubt. Ein sattes Plus von 75 Millionen Euro. Die Bilanzposition »Sozialkapital«, wo das alles ausgewiesen werden musste, kann als eine Art Privilegienkonto bezeichnet werden. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Superpensionserhöhungen auf Staatskosten für Pleitebanker.
Und die Aufsichtsbehörden, also FMA und Nationalbank, haben das zugelassen?
Ashwien Sankholkar Offensichtlich hatten sie nichts einzuwenden. Dabei kannten sie die Zahlen noch viel besser und früher als ich.
Hast du eine Erklärung für die passive Aufsicht?
Ashwien Sankholkar Vermutlich liegt es daran, dass die Nationalbank selbst ein Privilegienparadies ist. In meinem Buch widme ich der Nationalbank ein ganzes Kapitel, es gibt also viel zu erzählen. Nur ein Beispiel: die Nationalbank, die zu 100 Prozent im Eigentum der Republik ist, zahlt ihren Rentnern im Schnitt rund 5.000 Euro pro Monat. Der Spitzenreiter kassiert sogar mehr als 30.000 Euro monatlich. Das sind gewaltige Beiträge, wenn man weiß, dass die ASVG -Höchstpension bei rund 3.400 Euro liegt. Pikanterweise war es die eigene Gier der Luxusrentner, die ihnen zum Verhängnis wurde. Sie klagten gegen minimale Pensionskürzungen. Ein Whistleblower spielte mir 2013 die Sammelklage von 1.394 Nationalbankern zu, die auch die bis dahin streng vertraulichen Luxuspensionisten offenbarten. Deren Veröffentlichung bewirkte nicht nur einen nationalen Aufschrei, sondern führte auch zu einem Gesetz zur Begrenzung von staatlichen Pensionen.
Dein größter Coup war die Aufdeckung des BUWOG-Skandals. Was ist da passiert?
Ashwien Sankholkar Die Enthüllung im September 2009 führte zum größten Korruptionsprozess in der Geschichte der Zweiten Republik. Die Verdachtslage ist, dass Freunde des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser bei Privatisierungen der Republik Österreich – konkret beim Verkauf von 60.000 Bundeswohnungen – Millionen kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass das Konto »40.0815« als eines von drei Konten, auf denen die Buwog-Provisionen gelandet sind, Karl-Heinz Grasser gehört. Diesen schwerwiegenden Verdacht hat der Lobbyist Peter Hochegger mit seinem überraschenden Geständnis im Buwog-Prozess nochmals untermauert.
Es sollen 9,61 Mio. Euro an Provisionen geflossen sein. Was war dabei – streng rechtlich betrachtet – schlicht-weg illegal, was war »nur« ungerecht und illegitim?
Ashwien Sankholkar Das ist eine gute Frage, die nur das Gericht abschließend beantworten kann. Eine komische Optik hat die Sache bekommen, weil die Gelder über Brief kastenfirmen geflossen sind und erst versteuert wurden, als journalistische Recherchen die Buwog-Provisionen ans Tageslicht brachten.
Wenn ein Finanzminister bei Staatsgeschäften mitschneidet, ist das legal?
Ashwien Sankholkar Sicher nicht. Das wäre eine eindeutige Grenzüberschreitung. Ich gehe noch einen Schritt weiter und meine, dass es auch nicht okay ist, wenn die besten Freunde des Finanzministers sich die Taschen vollstopfen. Besonders krass wird es, wenn die Geldempfänger selbst nicht mehr wissen, wofür sie die Provisionen kassiert haben. Man kann es drehen und wenden wie man will, der üble Beigeschmack bleibt.
Karl-Heinz Grassers Anwälte sprechen von Vorverurteilung.
Ashwien Sankholkar Da reden die richtigen. Das sind dieselben Anwälte, die Laienrichter ausspionieren, Berufsrichter provozieren und Zeugen öffentlich diskreditieren. Hochegger, der Grasser mit seinem Geständnis schwer belastet, nennen sie unglaubwürdig. Gleichzeitig ventilieren sie im Gerichtssaal krude Theorien, wonach hinter allem eine große Freimaurer-Verschwörung steckt. Die Grasser-Anwälte polemisieren gegen eine befangene Justiz und verschweigen dabei, dass dasselbe Justizsystem schon Verfahren gegen Grasser eingestellt hat: im Fall der Dorotheum-Privatisierung, der Nordbahnstraße oder der Brehmstraße, die uns den berühmten Sager von Meischberger an Plech eingebracht hat: »Wo woa mei Leistung?«. Die Anwälte mögen es nicht, dass Journalisten über die vielen »Zufälle« in der Buwog-Affäre rund um Karl-Heinz Grasser berichten. Die sind nämlich atemberaubend.
Erzähle uns von so einem »Zufall«.
Ashwien Sankholkar Nehmen wir das »Mandarin-Konto«, wo auch das berühmte Schwiegermutter-Geld gelandet ist. Wie wahrscheinlich ist es, dass Trauzeuge, Ehefrau und Schwiegermutter ein und dasselbe Bankkonto nutzen, ohne voneinander zu wissen? Es braucht keinen Statistikprofessor, um das zu beantworten: Eher Null. Doch genau das ist passiert. Herr Meischberger hat einen Teil des Geldes vom berühmten Konto mit dem Namen »40.0815« für Geschäfte mit Meinl-Aktien auf ein Konto bei der Raiffeisenbank Liechtenstein überwiesen. Das darf er natürlich – aber von den hunderttausenden Briefkastenfirmen, die es im Investment-Universum gibt, sucht sich der Herr Meischberger ausgerechnet die Mandarin Group Ltd aus. Wie schräg ist das? Parallel dazu wählt die Schwiegermutter von Herrn Grasser von den hunderttausenden Briefkastenfirmen dieser Welt ebenfalls Mandarin, um ihr geheimes Investment in die Hypo Alpe-Adria abzuwickeln. Und von den hunderttausenden Briefkastenfirmen auf der Welt speist ausgerechnet Mandarin ein anderes Konto, um Ohrringe für Fiona Grasser zu kaufen. Das sind drei unglaubliche Zufälle. Man braucht keine Mathematik-Matura, um Mister X zu finden, der die Gleichung löst. X ist ...
... Karl-Heinz Grasser?
Ashwien Sankholkar Es gibt keinen eindeutigen Beweis, aber sehr viele starke Indizien. Grassers Schwiegermutter und seine Ehefrau, die zur Aufklärung beitragen könnten, berufen sich auf ihr Recht, die Aussage zu verweigern. Doch die genannten »Zufälle« lassen einen Wirtschaftsjournalisten nur den Kopf schütteln. Ich bemühe mich in meiner Arbeit, dubiose Umstände öffentlich zu machen. Ich würde sagen, das Schaffen von Öffentlichkeit durch kritische Berichterstattung deckt 80 Prozent der Arbeit zur Aufklärung von Wirtschaftsverbrechen ab, 20 Prozent machen dann Staatsanwälte und Richter.
Der BUWOG-Prozess hat begonnen, die 60.000 Wohnungen sind mit großem Gewinn weiterverkauft worden – ein Zufall?
Ashwien Sankholkar Investoren machen ihre Kauf- und Verkaufsentscheidungen in der Regel nicht von Gerichtsprozessen abhängig. Es ist sicher bemerkenswert, dass dieses Wohnungspaket um rund 5,2 Milliarden Euro, also zum mehr als den fünffachen Preis weiterverkauft wird. Natürlich wurde von der Immofinanz über die Jahre sehr viel in den Umbau investiert – dennoch liegt es nahe, dass die Republik beim Verkauf 2004 weit besser hätte aussteigen können.
Die Privatisierung selbst gilt nicht als Skandal, obwohl hier Eigentum der Allgemeinheit einfach verkauft wurde.
Ashwien Sankholkar Ob Privatisierungen notwendig sind, ist eine ideologische Frage. Wenn aber das Verfügbarmachen von leistbarem Wohnraum ein politisches Ziel ist, dann hat die damalige Regierung wohl einen schwe ren Fehler gemacht.
Im Fall BUWOG hat deine Berichterstattung dazu geführt, dass das Gerichtsverfahren eröffnet wurde. Was erwartest du dir nun vom Prozess?
Ashwien Sankholkar Ich erwarte mir eine korrekte Richterin, die das Verfahren trotz der vielen Untergriffe von Seiten der Anwälte sachlich führt und keine Fragen offenlässt. Herr Meischberger, Herr Grasser und 13 weitere Angeklagte müssen sich in einer öffentlichen Verhandlung verantworten: Grasser muss etwa erklären, dass die Schwiegermutter ihm das Geld in einem Plastiksackerl übergeben hat und er als Finanzminister der Republik nie Bedenken hatte, das Geld von Zürich nach Wien zu bringen. Wieso riskierte er, auf der Autobahnraststätte bestohlen oder an der Grenze gestoppt zu werden, wenn eine Überweisung möglich gewesen wäre? So verhält sich doch kein Finanzminister am Karrierehöhepunkt. Und Grasser muss auch erklären, wie es dazu kam, dass ihm seine damals noch-nicht-Schwiegermutter als jungem Geliebten ihrer Tochter einfach so eine halbe Million Euro zusteckt. Selbst in der Glitzerwelt der Superreichen wirkt diese Geschichte unglaubwürdig und lebensfremd. Im Prozess steckt sehr viel Überraschungspotential.
Was hat dich im BUWOG-Prozess bisher am meisten überrascht?
Ashwien Sankholkar Das Geständnis von Peter Hochegger war der größte Knaller. Im Vorfeld wurde heftig spekuliert, wer aus dem Kreis der Angeklagten umfallen könnte. Hochegger zählte zu den Kandidaten. Ein Geständnis gilt bekanntlich als Strafmilderungsgrund. Doch keiner rechnete so früh damit. So etwas passiert für gewöhnlich gegen Ende eines Prozesses, wenn die Anwälte abschätzen können, wie hoch die Verurteilungswahrscheinlichkeit ist.
Kann man den Schaden benennen, der durch die BUWOG und andere Skandale entstanden ist?
Ashwien Sankholkar Bei der BUWOG wären es die zu Unrecht geflossenen Provisionen und zum anderen der öffentliche Wohnraum, der verschleudert wurde. Oft bewegen sich Schadenssummen in Dimensionen, die nur schwer zu fassen sind. Nicht selten werden Risiken aus heiterem Himmel schlagend. In einem Kapitel über die Staatsbanken beschreibe ich etwa die Milliardenverluste der Oesterreichischen Kontrollbank OeKB. Diese Bank hat Schweizer-Franken-Kredite über Haftungsrahmen versichert und sich dabei wie ein einfacher Häuslbauer verhalten. Der Steuerzahler wird die Rechnung dafür präsentiert bekommen. Die Verluste werden wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Dabei geht es um öffentliches Geld. Als mein Buch im Herbst 2017 in Druck ging, gab es Zahlen aus dem Jahr 2016 – die Buchverluste betrugen damals schon 5,9 Milliarden Euro. Dieses Risiko trägt der Steuerzahler. Legt man das auf die Kosten der Mindestsicherung um, könnte man nur mit diesem Betrag 70.000 Menschen über einen Zeitraum von zehn Jahren unterstützen. Ein anderes Beispiel ist das Milliardengrab Hypo Alpe-Adria: Studierende der TU-Wien haben errechnet, dass man mit dem Geld, das beim Hypo-Skandal versenkt worden ist, eine Stadt für 100.000 Einwohner errichten hätte können; also Wohnungen, Infrastruktur, Energienetz, etc. Der Fall der Hypo zeigt, wie leicht es ist, die Staatskassen auszuräumen. Die Milliarden sind nicht einfach so verschwunden, sondern in fremden Taschen gelandet.
In deinem Buch geht es ja in großen Teilen um die Korruptionsskandale der Regierungen Schwarz-Blau I und II. Nun haben wir erneut eine Schwarz-Blaue Regierung. Welche Korruptionsskandale erwartest du dir in den nächsten Jahren? Wo siehst du aktuell die größte Korruptionsgefahr?
Ashwien Sankholkar Im Immobilienbereich steckt viel Gefahr. Wenn eine Aufweichung des Mietrechts erfolgt, wäre das ein riesiges Geschenk an die Hausbesitzer-Lobby. Die Privatisierung der Bundesforste stand schon immer im Zentrum schwarz-blauer Begehrlichkeiten. Reiche Jäger träumen schon lange davon, Wälder und Wiesen zu sammeln. Viele Gemeinden kämpfen mit leeren Kassen. Mich würde es nicht überraschen, wenn Kaufangebote für öffentliche Wasserquellen zunehmen. Und ich halte die »Dritte Piste« am Flughafen Wien-Schwechat für einen Deal, der sehr anfällig für Korruption sein wird. Es handelt sich um ein riesiges Infrastrukturprojekt mit einem Finanzrahmen von zwei bis drei Milliarden Euro. Diese Summe wird sicher überschritten werden und hohe Nebenkosten verursachen. An der dritten Piste können sich viele Personen eine goldene Nase verdienen. So wie beim Skylink. Das war auch ein skandalumwittertes Flughafen-Projekt, wo die Kosten explodiert sind und Korruption im Spiel war. Es ist wichtig, ein Auge drauf zu haben.
Das Gespräch führten Lisa Bolyos und Alexander Behr.
Könntest du für die Brennstoff-LeserInnen ein kleines Ein-Mal-Eins des investigativen Journalismus vorrechnen? Wie kommt man zu den großen Fragen, wie kommt man zu Daten, wie wittert man einen Skandal?
Ashwien Sankholkar Ich unterrichte Investigative Recherche an der FH Wien. Dort lernen meine Studierenden worauf es aus meiner Sicht ankommt: Gut beobachten, viel lesen, kreativ kombinieren und Hypothesen aufstellen. Die Hypothese fasst die Story in zwei Sätzen zusammen. Wenn man jahrelange Übung hat und in einem Bereich spezialisiert ist, entdeckt man bei den Recher chen, wie es im Film «Matrix» so schön heißt, die »Ano malien der Matrix«. Dann beginnt die journalistische Arbeit: Sich Spezialwissen über ein Thema, eine Branche oder ein Feld aneignen, Fakten checken. Und das Wichtigste: mit vielen Leuten reden und genau zuhören. Zum Schluss wird die Hypothese verifiziert oder falsifiziert: Entweder etwas ist tatsächlich ein Skandal oder es ist in Ordnung. Dritte Möglichkeit: Es ist zwar rechtlich alles okay, aber es liegt eine Unge rechtigkeit vor, ein Fehler im System. Ich finde mich nicht mit der Realität ab, sondern will unsere Gesell schaft besser machen. Gleichgültigkeit ist da keine Kategorie. Ein Journalist aus Leidenschaft schafft Leiden ab.
ASHWIEN SANKHOLKAR geboren 1975 in Wien, ist ein österreichischer Wirtschaftsjour nalist. Als Reporter für das Wochenmagazin format enthüllte er Österreichs größte Wirtschafts- und Politskandale, darunter die Affären buwog, Meinl und Immofinanz. 2011 wurde Sankholkar für seine Aufdeckungsleistungen mit dem Alfred-Worm-Preis für investigativen Journalismus ausgezeichnet. Zuletzt erschienen: Der geplünderte Staat und seine Profiteure ( 2017 ).