Die HirnFessel
Die HirnFessel
Brennstoff Nr. 52 | Huhki Henri Quelcun | 09.02.2024 | 4 Minuten

Wie asoziale Netzwerke die Psyche zerstören

Eigentlich wollte ich nur recherchieren: Wie oft meine Freunde – zu »friends« geworden – in der Fake-Welt herumhängen, anstatt in der realen. Und tatsächlich, immer mehr Studien zeigen, dass eine hohe Zahl von Facebooknutzern zunehmend Zeichen von Abhängig keit zeigen. Vergleichbar dem neuronalen Desaster im Zentralnervensystem von extremen Alkoholikern vom Typ Spiegeltrinker. Die Folgen: Chronische Schlafstö run gen, Ängstlichkeit, Konzentrationsmangel, Vergess lichkeit, Verschwitzen von Terminen, Intelligenz-Schwä che. So machte ich, eine halbe Stunde, bevor ich diese Zeilen schreibe, einen Facebook-Abhängig keits-Test. Ergebnis: Ich selbst – der andere »Über wachte« – bin dadurch selbst ein schwerer Social-Media-Junkie geworden. Innerhalb von wenigen Wochen »Verhaltensforschung« .

Das Experiment. Alles fing so harmlos an. Ich hatte, zerstreut, wie ich bin, zumeist mein Handy auswärts nicht mit. Und ein Smartie besitze ich erst seit zwei Monaten. Mir war aufgefallen, dass in geselliger Runde meine Freunde und Bekannten sich immer öfter aus der realen Kommunikation ausklinkten, um sich der virtuellen zu widmen ... Natürlich bin ich auch in der fb-community. So begann ich Buch zu führen. Gsichtsbuch. Wer von den unzähligen friends, mit welchen ich auch im realen Leben befreundet bin, wie lange chattet, postet oder nur aktiv ( = passiv konsumieren, was es Neues gibt ) war. Das Ergebnis war erschreckender als ich mir gedacht hatte: Die Hälfte trieb sich bis zwei Uhr Nachts im sozialen Netzwerk herum. Und da waren zehn Prozent hochmotivierte, welche bis sechs Uhr früh durchhielten.

Ein Monat ertrug ich aufopferungsvoll diesen zermürbenden Beobachtungsmarathon. Eine einfache Rechnung ergab: Tendenz zur Verlängerung der Facebook-Nachtschicht im Durchschnitt steigend. Das sah stark nach Konditionierung, ja nach Sucht, aus. Regelmäßige Dopaminkicks, verbunden mit der Steigerung von Glutamat- und der Reduktion der GABA-Rezeptoren, so meine Vermutung. Die klassische Alkoholiker-Trias! ( Hab ja nicht umsonst Humanbiologie & Hypochondrie studiert.) Und tatsächlich: Es gibt zig Untersuchungen, die bestätigen: Facebook wirkt wie virtueller Alk ...

Es gibt schon eine Menge standardisierter Tests zur Feststellung, wieweit eine social network addiction schon fortgeschritten ist. Ich beschloss, umgehend, alle heavy user unter den von mir zwei Monate lang überwachten friends fernzutesten. Zuerst überprüfte ich mich selbst, als Nicht-Abhängigen, um festzustellen, wieviel süchtiger meine armen Freunde waren.

Das Ergebnis: »Du bist ein regelrechter Facebook-Junkie, checkst immer und überall dein Profil. Wenn du am Schreibtisch sitzt, hast du die Seite immer offen, bist du unterwegs, so bleibst du über dein Smartphone up to date. Besonders bedenklich: Du bleibst ganze Nächte hindurch aktiv. Unser Tipp: Konzentriere dich etwas mehr auf dein wahres Leben und genieße die unvernetzten Momente!«
HUHKI HENRI QUELCUN

»Die Handlung ist der Knopfdruck zum Aktivieren des Displays, die Überraschungen können vielfältig sein: Hat sich schon jemand mein Partyfoto angesehen? Gibt es Neuigkeiten? Das Warten auf die nächste Nachricht von Freunden, auf einen neuen Like bei Facebook bestimmen dann den Rhythmus. Der Körper schüttet dabei das Glückshormon Dopamin aus. Es sorgt dafür, dass wir immer wieder zum Display greifen. »Das ist maximale Belohnung mit minimalem Aufwand«, erklärt Michael Knothe, Pressesprecher beim Fachverband Medienabhängigkeit, den Mechanismus.« FOCUS

»Seo berichtete, dass die abhängigen Patienten signifikant häufiger an Depressionen, Angststörungen, Schlaflosigkeit und Impulsivität litten. Es stellte sich heraus, dass bei den Suchtpatienten der Anteil von GABA im Vergleich zu Glutamat und Glutamin in einem bestimmten Teil des vorderen inneren Gehirns – demanterioren cingulären Cortex – erhöht war. Und die Mediziner stellten eine signifikante Korrelation zwischen den Messwerten der Neurotransmitter und der ermittelten Abhängigkeit, Depression und Angstzustände fest.« DW

»Dabei stellten die Forscher ein Übermaß von GABA in den Gehirnen der Abhängigen fest. Dieses Übermaß korrelierte mit der Neigung der Probanden zu Angstzu ständen und Depressionen.« HEISE ONLINE

»Und zwar nicht zu knapp – erst jüngst haben Forscher der Harvard University im US-amerikanischen Cambridge herausgefunden, dass Facebook ähnlich wirkt wie Schokolade, Sex und Alkohol. All das macht uns nicht nur glücklich, sondern all das wollen wir auch unbedingt erneut haben.« WELT

»Schon heute gibt jede fünfte Frau an, dass sie lieber eine Woche lang auf Sex verzichten würde als auf ihr Handy.« BASLER ZEITUNG

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