Vom Ende der Welt. Eine Parabel von Sören Kierkegaard
In einem Wanderzirkus brach Feuer aus. Es bestand die Gefahr, dass es auf die Felder übergreifen und damit auch das Dorf in der Nähe bedrohen könnte. Der Zirkusdirektor schickte daher den Clown, der schon für die Vorstellung geschminkt und gekleidet war, in das Dorf.
Hals über Kopf rannte der Clown auf den Marktplatz und rief: „Der Zirkus brennt, der Zirkus brennt! Kommt sofort und helft alle, das Feuer zu löschen!“
Doch die Dorfbewohner hielten das Geschrei des Clowns nur für eine neue Idee, möglichst viele Zuschauer in die Vorstellung zu locken. Sie klatschten und lachten über den vermeintlichen Werbetrick.
Der Clown, dem zum Weinen zu Mute war, beschwor die Leute. Er versuchte ihnen klarzumachen, dass dies kein dummer Spaß, sondern bitterer Ernst sei, es brenne wirklich. Doch je mehr er sie anflehte „Helft! Bitte, helft schnell“, desto mehr Menschen blieben stehen.
Sie fanden, er spiele seine Rolle ausgezeichnet, bis das Feuer auf die Felder übergriff und auch das Dorf, für das jede Hilfe zu spät kam, in Flammen aufging.
Sören Kierkegaard, 1813 - 1855, dänischer Philosoph, Essayist, Theologe und Schriftsteller
Es lohnt sich immer, bei Kierkegaards Texten ein bisschen innezuhalten. Sie verweisen immer auf das Wesentliche, welches in der Wichtigtuerei von so viel Unwesentlichem oft unter die Räder des Alltags kommt.