Der Verlust des Selbst
Der Verlust des Selbst
Brennstoff Nr. 65 | Hilde Domin | 17.01.2024 | 1 Minuten

Wenn wir betrachten, was an unserer Wirklichkeit das Schlimme ist, so ist es der Verlust des Selbst: die Art, wie wir ausgelöscht werden oder doch in Gefahr sind, ausgelöscht zu werden. Ich rede hier, ausnahmsweise, nicht vom Weltende, nicht von der atomaren Apokalypse, denkbar undenkbar wie sie für uns Heutige ist. Ich rede von einer subtileren, nicht bevorstehenden, sondern gegenwärtigen Gefahr: der ›Verdinglichung‹, die man zwar fürchtet, die aber doch keiner auf sich bezieht. Als sei sie ein Schnupfen, den andere bekommen und gegen den man selbst immun ist. Es ist ja auch nicht einfach, an sich selbst zu überprüfen, wie programmiert einer schon ist, wie entpersönlicht. Das kränkt das Selbstgefühl. Vorläufig halte ich diese Programmierung, die Verwandlung des Menschen in den Apparat, für ein größeres Hemmnis, ein bewusstes Leben zu leben, als die Furcht vor der Ökologischen und der atomaren Apokalvpse für die wir aber gerade auch programmiert werden: hinein in passive Hoffnungslosigkeit statt in aktive Wachsamkeit, wie diese Erde noch zu retten sei, wie die Katastrophe aufhaltbar wäre.

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Hilde Domin

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