Dem Empire mitten ins Herz
Dem Empire mitten ins Herz
Brennstoff Nr. 63 | Heini Staudinger | 23.01.2024 | 3 Minuten

WELCHE KRITIK man auch immer an Gandhi haben mag, kein Politiker auf der Welt hat es je geschafft, an sein Verständnis von Politik und der allgemeinen Vorstellungskraft heranzukommen. Er wusste ganz genau, wie er das Empire mitten ins Herz treffen konnte. Der Salzmarsch — als die Inder zum Meer wanderten, um Salz zu gewinnen — war ein Protestmarsch gegen die Salzsteuer.

Es war kein symbolischer Wochenendmarsch, sondern traf die Volkswirtschaft der Kolonialmacht mitten ins Mark. Das Problem ist allerdings, dass der gewaltfreie Widerstand immer mehr zu einem symbolischen Akt verkommen ist und seinen Bezug zur Realität verloren hat. Wenn sich ein Symbol von dem löst, was es eigentlich symbolisiert, verliert es seine Bedeutung. Es wird wirkungslos.

FÜNFZEHN MILLIONEN MENSCHEN sind am 15. Februar 2003 gegen den Irak-Krieg auf die Straße gegangen, was wahrscheinlich die größte Bekundung öffentlicher Moral war, die die Welt je gesehen hat. Es war einfach fantastisch.

Aber es war eine symbolische Geste. Die modernen Regierungen haben gelernt, sich mit solchen Dingen zu arrangieren, sie wissen ganz genau, dass sie eine Demonstration oder einen Protestmarsch einfach aussitzen müssen. Sie wissen, dass sich die Meinungen morgen schon wieder ändern oder durch Manipulation verändert werden können. Solange die öffentliche Gehorsamsverweigerung nicht zu einem realen, greifbaren Akt wird, sondern symbolisch bleibt, gibt es wenig Hoffnung auf Veränderung.

DAS IST EINE ÄUSSERST WICHTIGE LEKTION, die wir von der Gehorsamsverweigerung der Bevölkerung und dem gewaltfreien Widerstand im Kampf um die Unabhängigkeit Indiens lernen müssen.

Das war zwar ein perfektes politisches Theater, aber niemals rein symbolisch. Es war immer ein spürbarer Schlag gegen die Volkswirtschaft des Imperialismus. Worum ging es in der Swadeshi-Bewegung? Die Parole lautete »Kauft keine britischen Produkte« und »Stellt euer eigenes Garn her. Stellt euer eigenes Salz her. Wir müssen die Maschinerie des Empire demontieren und gegen sie kämpfen.«

Die Märsche, Lieder und Zusammenkünfte von heute — das ist alles schön und gut, aber sie sind eben meistens für uns selbst. Wenn wir unsere gesamte Energie in die Organisation dieser Dinge stecken, fügen wir dem Establishment, dem Imperium keinen nennenswerten Schaden zu.

ARUNDHATI ROY, Wahrheit und Macht

Mahatma Gandhi, Salzmarsch, 1930, Die Briten hatten das Salz Monopol inne. Gandhi ging 24 Tage und 385 km zum Strand, hob das Salz auf und sagte: »Die Natur gibt es umsonst, wir brauchen es für unser Überleben, wir werden damit fortfahren, unser Salz herzustellen.«

Viele folgten Gandhis Aufruf zum Ungehorsam. So bezwang er die britischen Salzgesetze.

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