Bei sich beginnen
Bei sich beginnen
Brennstoff Nr. 53 | Martin Buber | 29.02.2024 | 2 Minuten

…Es kommt einzig darauf an, bei sich zu beginnen, und in

diesem Augenblick habe ich mich um nichts andres in der Welt als um diesen Beginn zu kümmern. Jede andere Stellungnahme lenkt mich von meinem Beginnen ab, schwächt meine Initiative dazu, vereitelt das ganze kühne und gewaltige Unternehmen. Der archimedische Punkt, von dem aus ich an meinem Orte die Welt bewegen kann, ist die Wandlung meiner selbst.

...Der Ursprung allen Konflikts zwischen mir und meinen Mitmenschen ist, daß ich nicht sage, was ich meine, und daß ich nicht tue, was ich sage. Denn dadurch vergiftet sich immer wieder und immer mehr die Situation zwischen mir und dem andern, und ich in meiner inneren Zerfallenheit bin gar nicht mehr fähig, sie zu meistern,sondern entgegen all meinen Illusionen bin ich ihr willenloser Sklave geworden. Mit unserem Widerspruch, mit unserer Lüge päppeln wir die Konfliktsituationen auf und geben ihnen Macht über uns, bis sie uns versklaven.

Wozu?
Man braucht nur eine Frage zu fragen: „Wozu?“ Wozu soll ich mich auf mich selbst besinnen, wozu meinen besonderen Weg erzählen, wozu mein Wesen zur Einheit bringen? Die Antwort lautet: Nicht um meinetwillen. Darum hieß es auch das vorige Mal: bei sich selbst beginnen. Bei sich beginnen, aber nicht bei sich enden; von sich ausgehen, aber nicht auf sich abzielen; sich erfassen, aber sich nicht mit sich befassen. „Du sollst dich nicht immerzu mit dem quälen, was du falsch gemacht hast, sondern die Seelenkraft, die du auf solche Selbstvorwürfe verwendest, sollst du der Tätigkeit an der Welt zuwenden, für die du bestimmt bist. Nicht mit dir sollst du dich befassen, sondern mit der Welt.“

Martin Buber,
Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre, Gütersloher Verlagshaus

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Martin Buber

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