Als in Palästina geborene und aufgewachsene Christin setzt sich Sumaya Farhat-Naser seit vielen Jahrzehnten für die Völkerverständigung im Nahen Osten ein. Sie weiß ganz genau, wie wertvoll Frieden ist, denn schon als junges Mädchen wurden ihr im Zuge der Staatsgründung Israels und des Palästina- kriegs die Konsequenzen von Krieg, Gewalt und Hass vor Augen geführt.
„In unserem Dorf waren dann viele Flüchtlinge. Tau- sende, die in den Höhlen in Schulen, in Moscheen und in Kirchen gewohnt haben. Sie blieben drei, vier Jahre, weil Israeli im Jahre 1948 ihre Dörfer zerstört haben. Und dieses Dasein mit den Flüchtlingen unter uns, hat meine Kindheit geprägt. Sie hatten nichts außer die Hoffnung zurückzukehren.“
Im Laufe der Jahre haben Farhat-Naser und ihre Familie den Nahostkonflikt dann auch am eigenen Leib erfahren müssen.
„Wir haben Land verloren. Ich habe Cousins, die getötet worden sind. Mein Bruder und mein Schwager waren im Gefängnis. Mein Sohn, - angeschossen, ge- foltert, physisch und auch psychisch.“
Es gibt zwei Möglichkeiten:
Entweder mit Wut und Zorn und Hass zu leben - das aber zerstört die eigene Seele und macht das Leben schrecklich - oder zu sagen: Ich tue alles, damit es nie wieder passiert, und dann kann man erleben, dass das gut für einen selbst ist. Dass ich Menschen dazu bringe, mitzumachen, das macht große Freude.
Frieden in und mit uns selbst finden, das ist die Basis, um Frieden miteinander zu erreichen. Die Grundlage dafür sind folgende ...
DREI PRINZIPIEN
DER GEWALTLOSIGKEIT
Gewaltlosigkeit
Auf diese Weise versucht Farhat-Naser dem Kon- flikt gewissermaßen den Nährboden zu nehmen. Denn er ist ihrer Einschätzung nach weniger in den Grenzen des Gazastreifens verankert als vielmehr in den Köpfen der Menschen. Ein Umdenken und Einlenken ist aber nicht nur bei Akteurinnen und Akteuren im Nahen Osten nötig, sondern weltweit.
Deshalb reist die Friedensaktivisten in viele Länder, auch nach Deutschland. „Weil die Welt uns vergisst. Auch Deutschland denkt nicht mehr an uns. Auch nicht Europa. Da ich Deutsch spreche, habe ich einen besonderen Zugang zu Deutschland. Es ist für mich eine Aufgabe, ein Gefühl, ich muss was tun, sonst platze ich. Ich weiß, wie schwer es in Deutschland ist, über diesen Konflikt zu sprechen. Viele Leute wagen es nicht. Viele denken, Kritik an Israel ist Antisemi- tismus. Das stimmt nicht, man muss es trennen! Ich sehe die Notwendigkeit, dass alle Israelis, alle Juden in Sicherheit und Frieden leben müssen. Und genau so möchte ich es auch für Palästina haben. Und des- halb sage ich Dinge beim Namen und sage, wo etwas falsch ist.“
Und falsch ist laut Farhat-Naser auch die Annahme, dass der Nahostkonflikt im Kern ein Konflikt der Religionen sei. „Es ist vielmehr ein Missbrauch der Religionen. Es ist die Politik, es ist die Ideologie. Man benutzt die Religion nur, um den Wahnsinn zu rechtfertigen. Denn hier, in Palästina, haben immer Menschen zusammengelebt. Christen, Juden und Mos- lems. Niemals war da ein Gegeneinander. Das Problem beginnt, wenn man nationalistisch wird. Fanatisch für die eigene Gruppierung, nur für die eigene Sache. Dann wird es schwer. Die, die Politik machen und diese Kriege machen, glauben nicht an Gott. Denen ist Gott egal. Es geht um Macht, um Geld, um Beherr- schung. Und dennoch glaube ich an die guten Men- schen in Israel und weiß, dass viele gegen diesen Krieg sind. Daher lohnt es sich, dass man lernt, wie man miteinander und voneinander spricht, und wie man einander gewinnt. Deshalb mache ich es.“
Und sie macht es gut! Mit ihren Geschichten und Schilderungen gewährt Farhat-Naser nicht nur Ein- blicke in den Nahostkonflikt, sondern auch in die Mentalität einer wahrhaft starken Frau, die andere mitreißt, auf dem Weg hin zum Frieden. Dieses Mit- reißen haben auch die Besucherinnen und Besu- cher im CPH wahrgenommen: „Wirklich, also dieser Optimismus und diese Zuversicht, auch wenn es oft schwierig ist. Und dieses Bild von ihr, das jeder in sei- nem Herzen einen Diamanten trägt, ich glaube, wenn wir uns das zu Herzen nehmen, macht es viele Kriege völlig überflüssig.“