Alfred, wir danken dir!
Alfred, wir danken dir!
Brennstoff Nr. 66 | Heini Staudinger | 23.01.2024 | 5 Minuten

Ohne Dich gäb´s uns gar nicht.

Es ist schon wieder 35 Jahre her, dass Alfred Dallinger bei einem Flugzeugabsturz in den Bodensee ums Leben kam. Durch seinen frühen Tod (23. Februar 1989) verlor die Szene der Selbstverwalteten Betriebe ihren Schutzpatron.

Seinem Tun und Wirken haben wir die Gründung der Waldviertler Schuhwerkstatt zu verdanken. Ohne ihn gäb‘s uns, nicht. Genau so ist das.

In den 80-iger Jahren war im nördlichen Waldviertel die Textilindustrie im Sturzflug. Wieso dieser jähe Absturz? ... weil die Märkte alles - wie von Zauberhand - ganz alleine regeln (Kurz, Macron, Merkel, Schröder, von der Leyen usw - eh (fast) alle). Adam Smith nannte diese Zauberhand „die unsichtbare Hand“, und diese wollte ganz einfach billig(-er) einkaufen. Für die sogenannten „Märkte“ war dies super. Für´s nördliche Waldviertel war es eine Katastrophe, denn hier war fast jeder zweite Arbeitsplatz in der Textilindustrie. Dallinger suchte Lösungen. Zwei herausragende und ungewöhnliche Beispiele:

1.Selbstverwaltete Betriebe
Dallinger förderte die Gründung „Selbstverwalteter Betriebe“. Das waren Betriebe, die den Arbeitern, also der Belegschaft, gehörten. Die Konstruktion war vif: Alle MitarbeiterInnen waren in einem Verein organisiert, und dieser Verein war der einzige Gesellschafter einer GmbH.

Unter solch einem Mantel wurde 1984 die Waldviertler Schuhwerkstatt gegründet. Für die Gründung gab´s vom Sozialministerium eine bescheidene, aber verlässliche Förderung. Nach diesem Modell entstanden in diesen Jahren zahlreiche Betriebe. Swelbstverständlich wurden in diesen Betrieben zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen; - aber nicht nur das, - diese Gründungswelle hatte einen spürbaren Einfluss im ganzen Land. Sie wirkte ermutigend.

Diese Stimmung war damals gar nicht selten. Sie veränderte das Lebensgefühl vieler Menschen. Sie entfachte bei vielen jungen Leuten einen Unternehmergeist.

In diesen Dallinger-Jahren wurden viele solcher Betriebe gegründet; allein im Waldviertel waren es etliche. (Ich hatte damals zwei Schuhgeschäfte in Wien, mit diesen Läden wurde ich der wichtigste Kunde der Waldviertler Schuhwerkstatt .... doch darüber später ... die ganze Geschichte will ich im Mai 2024 zum 40 Jahr Jubiläum der Waldviertler Schuhwerkstatt erzählen.)

Eines sei noch einmal unterstrichen, - ohne Sozialminister Dallinger gäb‘s die Waldviertler Schuhwerkstatt nicht. Und dafür sagen wir „alle Waldviertler“ ALFRED, wir danken Dir.

2.Wertschöpfungsabgabe
Mit dieser Idee wurde Dallinger berühmt. Die Medien schossen sich auf ihn ein; - diese Wertschöpfungsabgabe (alle sagten „Maschinensteuer“ dazu) würde Österreich in die Steinzeit zurückversetzen. So wurde dieses sinnvolle Projekt, noch bevor es beschlossen wurde, zerschlagen.

Die Idee der Maschinensteuer war folgende: Die Maschinen steigern die Produktivkraft enorm, unzählige Menschen verlören so ihre Arbeit, während die verbleibende Arbeit weiterhin mit superhohen Abgaben belastet sei. Ziel dieser Wertschöpfungs­abgabe war es, den Faktor ARBEIT zu entlasten (radi­kale Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge), während der Faktor MASCHINE (bzw. die Wertschöpfung) diese Abgaben leisten solle.

Bereits 1959 gab es in Deutschland eine Untersuchung von J. H. Müller über die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesetzlichen Sozialabgaben auf lohnintensive Klein-und Mittelbetriebe.

Bereits 1963 wurde dann im Auftrag des deutschen Sozialministeriums eine Studie in Auftrag gegeben, die prüfte, ob eine andere Bemessungsgrundlage als die Lohnsumme für Sozialversicherungsbeiträge vorstellbar wäre.

1983 griff der damalige Sozialminister Alfred Dallinger die deutsche Diskussion auf und zog eine Änderung der Beitragsgrundlage der Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung in Erwägung. Dallinger wurde in den Medien als „Maschinenstürmer“ bezeichnet, die Wertschöpftungsabgabe als „Maschinensteuer“.

1989 legt Dallinger einen Gesetzesentwurf einer Wertschöpfungsabgabe vor. Begründet wurde die Wertschöpfungsabgabe im Gesetzesentwurf wie folgt: ,,Die Leistungskraft der Sozialsysteme ist von der Leistungskraft der Wirtschaft abhängig. Lohnbezogene Beitragssysteme haben im Hinblick auf arbeitssparende Strukturreformen (nennt man normalerweise Rationalisierungsmaßnahmen) in der Wirtschaft den Nachteil, dass dadurch ihre Finanzierungskraft negativ beeinflusst werden kann. Mit einer Wertschöpfungsabgabe hingegen könnte an der tatsächlichen Wirtschaftskraft eines Unternehmens angeknüpft werden. Zudem könnten einseitige Begünstigungen (kapitalintensiver Betriebe) und Benachteiligung (arbeitsintensiver Unternehmen) verhindert werden. Gegenüber den jetzigen lohnbezogenen Abgaben würde durch eine Wertschöpfungsabgabe der Faktor Arbeit im Vergleich zum Faktor Kapital verbilligt.“

Das Kapital wird begünstigt (Gunst), die Arbeit, sprich der Mensch, wird belastet (Last).

Wenn man heute ein Industrieunternehmen besucht, erfährt man sofort, dass mit der Hälfte oder sogar einem Viertel der Belegschaft ein Vielfaches an Gütern erzeugt wird. Immer weniger Menschen erzeugen immer mehr, schaffen häufig eine höhere Wertschöpfung. Die Abgabenlast liegt aber weiterhin nur auf der Arbeit, sprich auf den Schultern der Menschen. Die Arbeitenden kommen sich mehr und mehr vor wie die Idioten der Nation. Während das Kapital (zb. Investition in Automaten, Roboter und Maschinen) eine Fülle von Steuervergünstigungen genießt. Häufig zahlt es gar keine Steuern, - es vagabundiert in der welt herum und lässt sich nur in Steuerparadiesen nieder.

Die aktuellen Finanzierungsprobleme der Sozialversicherung sind Ausdruck dieser Entwicklung, die durch demographische Entwicklungen und hohe Arbeitslosigkeit noch verschärft wird.

Dort, ja genau dorthin sollen wir, müssen wir eines Tages hin - je früher, umso besser. Die Babyboom Generation geht in Pension, in Rente. Immer weniger Junge sollen für immer mehr Alte aufkommen. Die Rechnung ist nicht schwer, - das wird sich eines Tages einfach nicht mehr ausgehen.

Es ist ein Schwachsinn ARBEIT so hoch mit Abgaben zu belasten. So geht die Arbeit fort. Alles Arbeitsintensive ist längst nach Asien ausgewandert, zum Nutzen einer winzigen Clique, während wir als Gesellschaft immer abhängiger und ärmer werden.

Alfred Dallinger, eines Tages werden wir auf deine Wertschöpfungsabgabe zurückkommen. Es lebe der Mensch! Viva.

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